Donnerstag, 30. Juni 2011

Fränkler retour

Früher gab es in jedem Supermarkt einen Mann,
der die Einkaufswagen hinter den Kassen einsammelte
und in den Wagenpark zurückbrachte.
Als Kind nannten wir ihn "Wägelimaa" und es kam vor,
dass wir ein bisschen Angst vor ihm hatten,
wenn er sich lauthals freie Bahn verschaffte.
Später, als er uns nicht mehr einschüchtern konnte,
lachten wir über ihn.
Denn war er kein Rentner oder Student,
der sich einen Zustupf verdiente,
dann hatte er oft ein kleines Gebrechen.
Er hinkte oder stotterte oder dachte
etwas langsamer als die meisten.
Wir dachten, dieser Job sei nicht wichtig.
Ein Job zum Lachen,
ein Mensch zum Auslachen.
Tscholi-Job.
Heute gibt es ihn nicht mehr.
Kein Geld dafür
ein Depotfränkler.
Die Tscholis sind nun wir.

©Gabriela Graf

Dienstag, 21. Juni 2011

Anderes Wirtschaften

Mit einem Grundeinkommen kann man auch Nein sagen. Zu
schlechten Arbeitsbedingungen, zu Produkten und einem Umgang
miteinander, den man nicht verantworten will. Mit einem
Grundeinkommen kann man unabhängiger Ja sagen zu dem,
was man wertschätzt. Und loslegen. Ein neues Wirtschaften
würde es ermöglichen, weil es klarstellt, dass Wirtschaft nicht
nur das ist, was man verkaufen kann, sondern dass alle Leistungen
für andere Wirtschaft sind. So ist es ja auch. Doch wird
es nicht so gesehen, weil der Geldschleier sich davor aufbläst.
Finanziert würde ein Grundeinkommen über die Konsumsteuer.
So würde deutlich, dass nicht nur Produzenten, sondern
genauso die Konsumenten Wirtschaftsteilnehmer sind.
Kinder zum Beispiel, alte Menschen. Alle Menschen konsumieren.
Und alle zahlen die Steuern, wenn sie konsumieren.
So ist es heute und tatsächlich. Doch wird es nicht gesehen,
dass alle Steuer in den Preisen ist, weil sich die Mattscheibe
einer Sentimentalität der Leistungsbesteuerung davor hängt.
Das kommt noch aus der Selbstversorgung. Was ich leiste,
bringe ich nach Hause. Das stimmt heute nicht mehr. Was ich
leiste, ist für andere.

Eine Idee?

Das Grundeinkommen ist kein Modell, sondern eine Idee. Sie
stammt nicht mehr aus dem sozialen Anliegen einer Sicherung
für Arme. Sie wird von Liberalen wie von Grünen, Linken
und Konservativen diskutiert. Quer durch alle Gesellschaftsschichten
und Professionen. Dass sie ein Kulturimpuls ist,
merken Sie schon daran, wie Sie selbst darauf reagieren, was
für Gedanken und Empfindungen sie bei Ihnen anstösst, was
Sie an der Idee entrüstet oder anzieht. Und was Ihre Freunde
dazu sagen. Oder Ihre Frau. Oder Freundin?

Bedingungslos ist überfällig

Wie sehen die Biografien heute aus, wirklich? Was steigert die
Produktivität – mit schwindendem menschlichem Arbeitseinsatz?
Was ist, wenn unser Problem ist, mit dem Erfolg nicht
klarzukommen? Wir leben im Überfluss. Das gab es in der Geschichte
noch nie. Aber wir leben im Mangel an sehr vielem,
was durch die Zeit erst als Bedarf auftritt in allem, was lebendig
ist. Was ist Leistung in der Leistungsgesellschaft der
Zukunft? Was ist die Antwort auf den bestehenden Erfolg? Wo
ist das neue Wachstum?

Was ist gemeint mit einem bedingungslosen Grundeinkommen?
Es ist so hoch, dass ein Mensch davon bescheiden leben
kann. Es wird pro Kopf ausgezahlt, unabhängig von Lebens-
stand und Lebensstil, Vermögen, Alter und Gesinnung, unabhängig
davon, ob und wie jemand arbeitet und was. Auch
Kinder bekommen es. Vielleicht zu einem geringeren Betrag?
Ausbezahlt an die Eltern.

Das Grundeinkommen ist ein Einkommen in der Höhe, die
zum Lebensnotwendigsten reicht. So viel Einkommen hat im

Prinzip auch heute jeder. Sonst könnten er oder sie gar nicht
leben. Diese Einkommenshöhe wird bedingungslos gemacht.
Das heisst, sie wird aus den heutigen Bedingungen gelöst und
bedingungslos an jede und jeden ausgezahlt. Die Frage ist nicht
in erster Linie: Woher kommt das Geld? Sondern: Wie wird es
transferiert? Und: Wollen wir das? Das Grundeinkommen bleibt
bei der Person in allen Veränderungen ein Leben lang. Das Erwerbseinkommen
bleibt an eine bestimmte Arbeit gebunden,
an ein bezahltes Können, an die Nachfrage am Markt.

In der Praxis heisst das: Alle Erwerbseinkommen werden
neu verhandelt. Denn jeder bringt nun schon ein Einkommen
zur Arbeit mit. Sein Grundeinkommen. Alle Sozialleistungen,
Subventionen, Stipendien, Ersatzleistungen, IV, Renten
schmelzen um die Höhe des Grundeinkommens. Oder anders
gesagt: Das Grundeinkommen wächst in die bestehenden Einkommen
und ersetzt sie in seiner Höhe. Wer heute Fr. 6000.–
hat, der hat mit dem Grundeinkommen in der Summe das
Gleiche. Nur setzt sich sein Einkommen nun aus zwei Einkommensarten
zusammen. Das Prinzip ist: Das Grundeinkommen
ist nicht mehr Geld, sondern macht die lebensnotwendige
Einkommenshöhe bedingungslos für jeden.

Warum? Was würde ich dann tun? Und die Anderen? Jetzt
sind Sie dran.

Die andere Preisspirale

Schon klar, Männer wollen Zahlen sehen, zum Abschluss und
zum Abschuss kommen, wissen, was drin ist im Sack. Doch
hier ist es wie beim Tantra: Erst mal Energie fliessen lassen,
Erkennen der Wirklichkeit. Bleiben wir noch bei einem kleinen
Detail: Die Finanzierung. Wenn es nicht mehr Geld ist – im
Prinzip – ist es auch keine Frage der Finanzierung, sondern
wie man von einem bedingten Grundstock des Einkommens
heute zu einem bedingungslosen kommt. Das geht so: Alle Salärs in der Privatwirtschaft und beim Staat samt der Transfer-
einkommen im Sozialen sinken um die Höhe des Grundeinkommens.
Das spart Bürokratie. Denn viele Sozialleistungen
kann das Grundeinkommen ganz ersetzen. Das spart in den
Gehältern und Löhnen in der Wirtschaft. Das wird in die
Preise weitergegeben. Die Herstellungskosten sinken. Auf
die gesunkenen Preise in der Herstellung kommt beim End-
verkauf eine Konsumsteuer. So bleibt das Preisniveau wie
vordem – Erstellungspreis runter, Konsumsteuer drauf – und
aus der höheren Konsumsteuer werden die Grundeinkommen
gezahlt. Damit noch nicht genug des Guten. Es werden auch
noch alle Steuern im Bereich der Arbeit gestrichen, alle Steuern
auf Erträgnisse aus der Arbeit. Das lässt die Kosten der
Arbeit nochmal sinken. Denn diese Steuern werden heute in
die Preise eingerechnet. Ohne sie wären die Preise niedriger.
Die Konsumsteuer greift erst zu, wenn der Kunde kauft.

Vorteil? Der Staat beisst mit der Steuer nicht schon in den
noch unreifen Apfel. Nicht der zahlt die Steuer, der etwas ent
wickelt und für andere tut, sondern der, der die Leistungen
anderer für sich verbraucht. Der verbraucht dabei auch die
staatlichen Leistungen, die alle zur Herstellung nötig waren.
Die Verbrauchssteuer ergänzt sich in der Wirkung mit dem bedingungslosen
Grundeinkommen. Sie erhöht gegenüber heute
nicht die Verbraucherpreise, sondern bringt die gesunkenen
Herstellungskosten im Endpreis wieder auf heutiges Niveau.
Im Schnitt.

Denn wo Maschinen arbeiten, wirken sich das Grundeinkommen
und der Wegfall der Einkommenssteuern nicht auf
die Kosten der Arbeit aus. Weil Maschinen kein Einkommen
haben, zahlen sie auch keine Steuern. Maschinen leisten
aber einen grossen Teil der Wertschöpfung. Der wird mit der
Konsumsteuer genauso besteuert, wie der Wertschöpfungsanteil
menschlicher Arbeit. Maschinen sind dann nicht mehr Schwarzarbeiter. Maschinenarbeit wird steuerlich nicht mehr
freigestellt. Menschliche Arbeit wird nicht mehr benachteiligt.
Mehr Arbeit wird möglich aus eigener Bedarfswahrnehmung
in all der Vielfalt, die zum Leben gehört. Nicht nur Arbeit in
Schubladen, aus denen eine kaufkräftige Nachfrage winkt –
die Selbstverantwortung abnimmt.

Verantwortung
Wie viele machen, was sie machen, nur, weil es bezahlt wird?
Machen es, weil die Bezahlung ihnen sozialen Status bringt,
weil der bezahlte Auftrag ihnen sagt: Es ist schon richtig so,
zerbrich dir nicht den Kopf. Wem Gewinn vor Sinn steht, dem
stehen dafür auch im Zeitalter des Grundeinkommens die
Türen offen. Und natürlich ist Gewinn kein Widerspruch zu
Sinn. Sinn wird im Grundeinkommenszeitalter vermutlich so
gar mehr bezahlt als heute, weil mehr gesehen. Mehr als die Hälfte der in der Gesellschaft geleisteten Arbeit ist heute unbezahlte Arbeit. Und noch mal so viele Tätigkeiten werden heute gar nicht als Arbeit gesehen. Grundeinkommen, wie
war noch mal die Frage: Wer arbeitet dann noch?
In den USA gab es vor 50 Jahren eine Studie, in der an einige Haushalte eine Art Grundeinkommen ausgezahlt wurde.
Einige Hausherren reduzierten daraufhin ihre Erwerbsarbeit.
einige konnten sich nun besser hocharbeiten. Nur die Frauen
– die mal wieder – hatten wirklich etwas davon. Alleinerziehende
blieben bei ihren Kindern, statt sich als Kindermädchen
zu verdingen und die eigene Brut allein zu lassen. Und mehr
Frauen liessen sich scheiden. Denn als eigener Haushalt erhielten
auch sie, nicht nur der Mann, ein Grundeinkommen.

Recht auf Arbeit – aber richtig!

Dass man Arbeit beschaffen muss, damit die Leute beschäftigt
sind, ist eine Perversion der Arbeit! Arbeit nur um der
Arbeit willen ist eine Entwertung des Menschen. Die Arbeitsplatzideologie
und der Vollbeschäftigungswahn sind ein Denkfehler.
Es geht dabei doch nur um Einkommen – und Steuern
aus Einkommen. ‹Meine. Arbeit ist, was mir letztlich keiner zuweisen
und auch keiner abnehmen kann. Ein Recht auf Arbeit
kann das Recht sein, das zu tun, was mir und meinem Leben
entspricht, wofür ich da bin und was ich als sinnvoll ansehe.
Nur aus eigener Motivation ergibt sich Erfolg und nachhaltiger
Nutzen für andere. Dies Recht auf Arbeit verbleicht zur
Makulatur ohne ein Recht auch auf Einkommen.

Das Grundeinkommen ist nicht staatliche Fürsorge. Nicht
mehr Staat. Sondern mehr Markt. Endlich zählt Leistung gegenüber
Geldmacht mehr, kann Leistung sich freier bewegen
und auch ihre eigene Zeit haben. Mehr gleiche Augenhöhe,
wirkliche Zusammenarbeit und ein echter Arbeitsmarkt. Ich
muss nicht jeden Job annehmen. Ich kann Lösungen angehen,
Neues in die Welt bringen, ob gut bezahlt oder auch nur mit
meinem Grundeinkommen.

Alle für alle

Und meine Frau, mein Mann, meine Kinder haben auch ein
Grundeinkommen. Meine Freunde auch und sogar die, die
ich gar nicht mag. Die ich gar nicht kenne! Nicht einer zahlt
für die anderen. Nicht die Leistungsträger für die Schwachen.
Sondern alle tragen prozentual in ihren Konsumausgaben die
Steuern und darin die Grundeinkommen für alle. Das Grund-
einkommen ist der ausbezahlte Steuerfreibetrag der Konsumsteuer.
Der bedingungslose Freibetrag für jeden zum Lebensnotwendigen.
Es ist nicht so viel anders als heute, nur viel
klarer, viel beweglicher mit solch einem Freibetrag. Viel interessanter,
was Menschen tun, wenn ihre Existenzbasis frei und
sicher ist. Mehr Dynamik, spannender. Gut für die Starken, die
damit besser aus den Startlöchern kommen und tatkräftiger
werden. Nicht schlecht für die Schwachen, die erst mal zu
sich finden, ihre Traumata aufarbeiten, Musse haben. Vor allem
kann sich zeigen, dass das mit der Stärke und der Schwäche
vielleicht gerade umgekehrt ist.

Enno Schmidt, Initiative Grundeinkommen

Freitag, 17. Juni 2011

GELDQUELLEN

KREIS

Kreisläufe – wir kennen sie und wir lieben sie. Mindestens Ihren Blutkreislauf sollten Sie lieben. Denn er ist das A und O Ihres ganzen Lebens und Liebens.
Den Wasserkreislauf kennen sie auch ganz gut. Den lieben Sie etwas weniger. Zumindest wenn es regnet. Aber ohne die 60% Wasser in Ihnen drin läuft schliesslich nichts, auch nicht der Blutkreislauf. Aber das sind ja nur kleine Nebenstrecken. Wasser ist fast überall: Bäche, Flüsse, Meere, Seen, Nebel, Wolken, Regen, Wasseradern, Quellen. Der Wasserkreislauf umspannt die ganze Erde. Genau wie der Geldkreislauf inzwischen. Aber den kennen Sie vermutlich am wenigsten. Doch das wird sich jetzt ändern.

BACH

Dazu fangen wir mit dem Wasserkreislauf an:
Er schwingt, er pulsiert, angeregt durch die Temperaturunterschiede von Tag und Nacht, von Mond- und Sonneneinflüssen, von Erwärmung und Abkühlung. Das Wasser ist passiv, fast könnte man sagen „neutral“. Die Sonne bringt es zum Verdunsten, durch Kapillarität in den Pflanzen lässt es sich nach oben ziehen und findet sich weit oben zu Wolken zusammen bis es durch die Schwerkraft wieder herunter regnet. Es versickert und fliesst durch Boden und Gesteine. Dabei nimmt es Informationen und Mineralien aus der Umgebung mit, quillt wieder hervor oder wird durch Pflanzen aus dem Boden gesaugt, wird durch Tiere und Menschen getrunken, kreist durch deren Kreisläufe und auch da transportiert es Nährstoffe, Hormone, Informationen, alles was an anderen Stellen gebraucht wird oder als Abfall entsorgt werden muss. Manchmal landet es in einem Stausee. Oft ist es viele Jahre im Meer. Stellen Sie sich vor, dass die Wassertropfen kleine Geldtropfen wären, winzig kleine flüssige Münzen oder winzig kleine runde Nullen – jeweils eine umrandete Leere, innen hohl, so dass man das, was transportiert werden soll, in sie hineinfüllen und abtransportieren kann – so wie mit kleinen Güterwagen. Zwischendurch gibt es ein paar Einsen, Zweien, Dreien als Lokomotiven – verschieden stark, je nachdem, was und wie viel transportiert werden muss. Stellen Sie sich das vor und dann bekommen Sie eine Idee von einem gut funktionierenden Geldkreislauf.

FLUSS

Aber der heutige Geldkreislauf sieht etwas anders aus. Dem wollen wir einmal nachgehen.
Er heisst nämlich nur so: Kreislauf. Der Wasserkreislauf ist tatsächlich einer, auch wenn es hier und da fehlt, so wie in unseren inzwischen auch einmal austrocknenden Flüssen und sich leerenden Stauseen. Weltweit gesehen bleibt die Wassermenge gleich. Nur die Verteilung ändert sich. Die Gletscher schmelzen ganz, die Arktis verschwindet langsam, hier wird der Regen weniger, dort regnet es mehr, hier wird es trocken, da säuft man ab. So ungefähr ist es doch auch beim Geld, sollte man meinen: Die einen schwimmen darin, die anderen haben leere Taschen. Der Reichtum der einen ist die Armut der Anderen. Das stimmt, aber nur zum Teil. Denn es gibt da die Wirkung von Zins und Zinseszins – Wer hat, dem wird gegeben.

SEE

Sehen wir uns das einmal genauer an.
Wasser ist ein allen gemeinsam zur Verfügung stehendes Gut. Es gehört niemandem, sondern es steht der ganzen Erde mit all seinen Naturerscheinungen und Lebewesen zur Verfügung, soweit es noch nicht privatisiert ist.
Geld jedoch ist Privateigentum. Aber wem gehört es? Demjenigen, der es besitzt? Oder dem, der es herstellt? Den müssen wir erst einmal noch suchen und finden.
An dieser Stelle können wir erst einmal nur feststellen, dass es eine Menge wohlhabender Geldbesitzer gibt. Ihr Geld haben sie unseren Banken anvertraut. Wäre Geld Wasser wären sie Wasserbesitzer und die Banken Wasserbanken. Nennen wir dieses Geld deshalb Wassergeld. Deren Besitzer sind heutzutage nur bereit ihr überschüssiges Wassergeld auch für andere bereit zu stellen, wenn sie dabei Gewinn machen können, also Zinsen erhalten. Stellen Sie sich einmal vor, Wasser würde sich so verhalten. Es würde nur zur Energiegewinnung aus dem Stausee heraus fliessen, wenn per Vertrag zwischen Wasser und uns Menschen sichergestellt wäre, dass danach mehr Wasser von uns herbeigeschafft wird als vorher im Stausee war, so eine Art Wasserzins, durch den der Stausee immer weiter gefüllt wird. Zusätzlich wird vom Stausee gefordert, dass die Staumauer von uns ständig erhöht werden muss, damit auch sicher das Wasservolumen nicht verloren geht. Es gäbe keine Obergrenze von Bereicherung. Das Wasser wird immer mehr und wir müssen dafür sorgen, dass die Staumauer höher und höher wird und ausserdem nicht brechen darf. Erinnert Sie das an das „To big too fail“?
Nun, beim Zins sagt man, dieser sei nötig, damit der Kreditnehmer unter Druck stehe, den Kredit auch zurück zu zahlen. Aber wir könnten doch sicherlich Regelungen finden, dass er das auch ohne Zinsdruck tut, so wie wir schliesslich anderes Ausgeliehenes ebenfalls zurück geben. Ohne Zinsen lohnt es sich für den Geldbesitzer einfach nicht, das Geld rauszurücken. Das ist das Problem.
Dagegen im Stausee: Ständig verdunstet Wassergeld nach oben und nach unten versickert ein Teil – das Gegenteil passiert also bei lagerndem, ruhendem Wasser. So vernünftig geht es in der Natur zu. So wäre das mit Wassergeld. Und auch bei unserem Geld könnte es vernünftig zugehen, wenn wir es wollten. Stellen wir uns einmal eine Idealsituation vor:

MEER

Da gibt es zum einen die Zentralbank, bei uns in der Schweiz ist das die Nationalbank, die das Geld druckt und an Geschäftsbanken ausleiht, aber auch nicht gedrucktes Geld, das nur als Buchung geschaffen wird, leiht sie an diese aus – je nachdem wie sie es haben wollen. Alles Geld ist Kredit, nur ausgeliehen. So wie auch alles Wasser, das wir als Menschen brauchen, nur ausgeliehen ist, ausgeliehen von der Natur an uns. Aber wie viel Geld es gibt, das ermittelt und bestimmt die Zentralbank. Es ist abhängig von der Wirtschaftsintensität und der Menge der beteiligten Menschen.
Zum anderen gibt es neben diesen Krediten das Geld der Geldbesitzer, die es übrig haben. Zu ihnen ist Geld hin geflossen, so wie das Wasser in die Stauseen und Meere. Das sind die zwei Wassergeldquellen. Aus ihnen muss das Wassergeld weitergeleitet werden zu Menschen mit Bedürfnissen, die sie mit Hilfe von Wassergeld befriedigen können und zu unternehmerischen Ideen wie zu Samenkörnen, damit diese keimen können.

WOLKEN

Samenkörner, das sind also die guten Ideen von Unternehmern, die etwas auf fruchtbarem wirtschaftlichem Boden wachsen lassen wollen, etwas das den Bedürfnissen der Menschen und der Welt entspricht. Die Banken entscheiden, wer wie viel bekommt. Sie überlegen, welche Samenkörner die besten und nützlichsten sind, damit kein Unkraut wuchert. Und bringen das Wassergeld zu ihnen. Es darf nicht zu viel sein, damit die keimenden Pflanzen nicht ertrinken, damit es nicht zu viele werden und es darf nicht zu nicht zu wenig sein, damit keine Wüste entsteht. Und wir fragen uns hier mal zwischendurch, ob unsere heutigen Banken das wirklich gut machen: Das Richtige wird in der richtigen Menge am richtigen Ort produziert durch das Geld der Banken?
Man könnte entgegnen: Auch in der Natur entscheidet nicht die Wasserbank, sondern der Natur-Markt, was wo und in welcher Menge wächst. Die Wolken regnen dort, wohin der Wind sie gerade weht. Nun, welcher Geist oder welche Naturgesetze auch immer für eine Balance sorgen: Die einzelnen Natur-Markt-Teilnehmer sind nicht manipulierbar. Sie handeln nach innerem Plan und Instinkt. Fairness und Gerechtigkeit gibt es nicht. Es kommt, wie es kommt. Wir dagegen haben es schwerer. Wir haben Verantwortung. Wir handeln mit mehr oder weniger Bewusstsein und Moral. Beide wachsen in uns, aber beide sind auch beeinflussbar, sind manipulierbar. Und zwar von denen, die den Markt beherrschen. Und wer ist das?

REGEN

Gehen wir weiter mit unserer Vorstellung vom Idealfall einer Wirtschaftssituation: Der Unternehmer hegt und pflegt seine Samenkorn-Idee, begiesst sie mit Wassergeld von der Wasserbank und sorgt sich um das daraus wachsende Pflänzlein. Er giesst es mit Arbeitskräften, Rohstoffen, Hilfsgütern, ergänzt diese durch Zulieferungen bis zur Perfektion, kauft Verpackungsmaterial für die Früchte seiner und seiner Mitarbeiter Arbeit. Alle werden dafür mit Geld, als sei es das Wasser des Lebens, bezahlt.
Und auf dem Markt, auf dem nun die Früchte ihrer Arbeit neben all den Produkten anderer Produzenten angeboten werden, kauft jeder für sich selbst all das, was er und sie brauchen und was andere in der Zwischenzeit produziert haben. Der Unternehmer rechnet genau, wie viel er ausgegeben hat für seine Produktion und die Dienstleistungs-Gebühren bei der Wasserbank, damit er auch so viel beim Verkauf wieder zurück bekommt, wie er vorher ausgeliehen hat. Tag für Tag geht das Geschäft. Die Menschen sind freudig bei der Arbeit, manchmal kommen sie ins Schwitzen. Ehrlich und warmherzig reden sie auf dem Markt miteinander, freuen sich gemeinsam über die Erfolge ihrer Produktion, ein buntes Treiben sorgt für heitere Stimmung. Das ist wie die Wärme des Sommers bei den Jahreszeiten: die Gemeinschaft der schaffenden Menschen, über Handel und Geld in fairen Austauschprozessen miteinander verbunden. Und Abend für Abend wird das Wassergeld in der Kasse gezählt, zur Bank gebracht und dort verbucht, bevor es in der kühlen Nacht des Wassergeld-Stausees verschwindet. Ruhig und geordnet, gestapelt, erstarrt wie kurz eingefroren liegt es da, bis es wieder gebraucht wird. Das ist wie die Kälte des Winters. Es liegt da bis es wieder gebraucht wird am nächsten Morgen oder im nächsten Frühjahr für die nächste gute Idee, die wachsen soll.
Aber wovon lebt die Bank? Aus den Stausee-Reserven versickert und verdunstet Wassergeld, das die Bank als Gebühren und Gehälter für ihre organisatorische Arbeit erhält. Wer Wassergeld zur Bank bringt und es verwalten lässt, der muss etwas dafür bezahlen und kann nicht noch etwas daran verdienen.

GEWITTER

Doch was passiert, wenn ein raffinierter Unternehmer und eine raffinierte Bank sich auf dem idealen Markt eingeschlichen haben? Der Unternehmer fordert einfach ein gutes Stück mehr für seine Produkte, als er von der Bank erhalten und investiert hat. Klar, er braucht auch etwas für sein gutes Leben, für sein immer besser werdendes Leben. Er will für sein unternehmerisches Risiko belohnt werden und er will den anderen zeigen: Ich bin der Beste. Ich verdiene das meiste! Ich.
Aber er zahlt auch an die raffiniert raffende Bank zurück, und sogar bei weitem mehr als er Kredit bekommen hat, denn die Bank fordert happige Zinsen. Seine Produkte sind entsprechend teuer. Da liegt es schon drin, dass auch die Bank gut verdient. Schliesslich kümmert die sich auch um die Vermehrung seiner inzwischen vorhandenen reichlichen Geldreserven.
Das ist das eine. Aber die Bank ist noch weitaus raffinierter. Sie will das Geld ihrer Kunden nämlich nicht nur an Kreditnehmer neu verteilen, sondern sie will vor allem Gewinn machen. Gewinn ist wichtiger als sinnvolle Kreditverteilung. Und so verdient sie ihre Gewinne inzwischen nicht mehr nur mit der Weitergabe der Reserven des reichen Unternehmers, sondern sie produziert nun auch selbst Geld. Die Bank ist selbst Produzent geworden. Nicht umsonst nennt man Banken und Co. heute Finanz-Industrie: Sie produzieren! Nullen und Einsen. Digitale Buchungen. Vor allem Nullen. Das produzieren sie. Jede Null eine Blase – bis sie platzt. Und das wollen wir uns nun genauer ansehen.

ÜBERSCHWEMMUNG

Da gibt es also Geldscheine und Münzen, unser Bargeld. Aber davon brauchen wir nicht viel. Erheblich mehr Geld, wenn auch weniger als der inzwischen superreiche Unternehmer, haben wir auf unseren Bankkonten und bei unseren Rentenversicherungen. Haben wir wirklich? - Das meinen wir nur. Die Bank hat es.
Aber auch sie hat es nicht wirklich. Sie hat nur eine Buchung auf einem Konto mit unserem Namen. Wo aber ist das Geld? Es ist nirgends. Nur Nullen und Einsen, digitale Buchungen. In Ausnahmefällen werden diese weiter verliehen. Aber das ist mehr Vergangenheit als heutige Realität.
Wir müssen feststellen: Geld sind Buchungen auf Konten und wir können diese Buchungen teilweise als Bargeld beziehen. Würden wir nur noch mit Karten zahlen, würde das Bargeld verschwinden. Heute sind es noch um die zehn Prozent des Geldes – für unsere weiteren Überlegungen und die Zukunft des Geldes ist das unwesentlich. Aber durch dieses Giralgeld geht die Geldproduktion für die Banken inzwischen ganz einfach:
Kommt ein Kunde zur Bank und braucht einen Kredit für einen grösseren Einkauf, für ein Haus oder eine Geschäftsidee, dann kann die Bank den gewünschten Betrag einfach auf dessen Konto gutschreiben. Bei jeder Kreditvergabe ist das möglich – mit Buchung und Gegenbuchung, ganz sauber. Beide werden bei vollständiger Tilgung wieder zu Null, verschwinden im Nichts. Per Vertrag werden Zinsen und Rückzahlung vereinbart und ein kleiner Teil, zwei Prozent der Kreditsumme oder ein bisschen mehr, muss von der Bank bei der Zentralbank in Form von Wertschriften hinterlegt werden. Dieses Bisschen muss sie haben, mehr nicht.
Und was kriegt sie dafür? Vom Kreditkunden Zins und Zins und Zins und Zins, täglich, wöchentlich, monatlich, jährlich.
Und wo kriegt der es her? Von anderen Marktteilnehmern, Arbeitgebern, Kunden.
Und wo kriegen die es her? Ebenfalls von anderen ... . Und so weiter.
Inzwischen hat die Bank an diese nämlich auch Kredite vergeben. Die Zinsen der alten Kredite werden mit neuen Krediten bezahlt. So wie wir das von den Staatsverschuldungen zum Beispiel hören. Immer neue Kredite werden für die Tilgungen der alten Schulden bereit gestellt. Diese Kredite bekommen aber nicht nur die gleichen Schuldner, sondern auch immer neue. So produzieren die Banken heute ihre eigenen Gewinne von morgen.
Und das Geld wird immer mehr. Und immer gewinnt die Bank.
Ein Bombengeschäft. Aber es gibt inzwischen längst leisere Geschäfte - die der Finanzindustrie. Riesige Spekulationsgewinne auch ohne erklärungsbedürftige Kriege und kritisch hinterfragte Rüstungsaufträge. Spekulation dient ja allen, auch unseren Rentenanlagen. Wovon sollen wir sonst später leben?
Für Spekulationsgeschäfte, die man auch Investmentbanking nennt, geben die Banken am liebsten Kredite. Denn daran verdienen sie auch am meisten. So wird von ihnen besonders viel Kreditgeld produziert, wenn die Spekulation heiss läuft, wenn die Blasen schnell wachsen – immer in der Hoffnung, dass man sich noch schnell aus ihnen zurückziehen kann bevor der Knall kommt. Die ganz guten Profis schaffen das. Die meisten verlieren. Wir sehen: Auch da wird aufgerüstet bis es knallt.
Ist eine Bank so gross geworden, dass wichtige Teile der Wirtschaft von ihr abhängig sind, dann wird sie beim grossen Knall vom Staat gerettet. Schon darum muss man als Bank möglichst gross sein. Ist der Stausee gross genug, dann darf die Staumauer nicht brechen, die Überflutung wäre eine Katastrophe: „Too big to fail“.
Die Entleerung des Stausees funktioniert bei der Geld-Bank aber etwas anders als bei der Wasser-Bank. Erst schwimmen wir, das heisst vor allem die Investment-Spekulanten, in Geld und immer mehr Geld, ihre so genannten Finanzprodukte werden gekauft und verkauft und wieder gekauft und verkauft. Und immerzu werden sie teurer und damit zu mehr und mehr Geld. Es ist wie in einer gigantischen Geldbadewanne, in der wir schön warm baden, noch. Aber plötzlich wird jemand skeptisch, ob sich weitere Käufer finden. Dazu braucht es nur eine Kleinigkeit. Der Verkauf klappt nicht mehr, bricht zusammen. Der Stöpsel in der Badewanne wird undicht, rutscht, und ist er erst mal raus, dann gibt es kein Halten mehr. Es gibt einen gewaltigen Strudel und das Geld verschwindet im Gulli wie in einem Schwarzen Loch und saugt unseren vermeintlich sicheren Wohlstand und die Lebensgrundlagen der halben Menschheit gleich mit weg. Das geht ruckzuck. Selbstverständlich gehören wir zu der anderen Hälfte der Menschheit, meinen wir.
Die Nullen platzten. Die Einsen, Zweien, Dreien helfen auch nicht mehr viel. Was nützen Lokomotiven ohne Züge?

WASSERADERN

Ganz anders also als das Wasser verhält sich das Geld, so wie es heute produziert wird: Es wird immer mehr. Und das geht, weil es Giralgeld ist, nur Buchungen von Nullen und Einsen, kaum noch Bargeld. Und es muss so gehen, weil unsere Banken private, auf Gewinn orientierte, richtig gute kapitalistische Unternehmen sind. Das Geld ist faktisch nicht mehr unter Kontrolle der Nationalbank. Die Geschäftsbanken schöpfen es selbst. Sie verdienen an den Zinsgewinnen und Gebühren, die mit anderen, meist späteren Krediten finanziert werden. Und mit dem Geld von denen, die ärmer werden in dem grossen Zwangscasino. Die Kreditzinsen werden also im Wesentlichen nicht an Sparer weiter gezahlt, sondern diese erhalten nur einen kleinen Teil davon, mit dem man sie, also uns, ködert, damit wir Kunden unserer Banken werden. Und dann möglichst auch in ihre für uns kostspieligen, für sie aber durch Gebühren Gewinn bringenden Geldanlagestrategien einsteigen. Wir, und genauso unsere grossen Geldverwalter, die unsere Renten und sonstigen Versicherungen bewirtschaften. Was für ein gigantisches Geschäft sich die Banken da in ihre eigenen Hände gespielt haben: das Geschäft einer teuflischen Geldvermehrung, die letztlich alles zu Geld machen muss, wenn man es konsequent zu Ende denkt.

QUELLE

Aber würde Ihnen das nicht auch gefallen, wenn Sie ständig reicher würden, indem Sie digitale Nullen und Einsen produzieren, dann ausleihen und noch mehr Nullen und Einsen dafür zurück bekommen? Was Sie davon haben? Nun, das Schöne ist, dass Sie die dann richtig verprassen können, ausgeben für alles Kaufbare, das Sie brauchen oder auch nicht brauchen können: die delikatesten Lebensmittel, die edelsten Kleider, die schönsten Villen in den nobelsten Traumlagen, das gepflegteste Personal, auch zur Begleitung auf den verrücktesten Touren um die ganze Welt und wenn Sie wollen auch für ein paar Runden in der Umlaufbahn um die Erde drum herum, damit Sie überblicken können, was Sie sonst noch nächstens haben könnten: ein paar Inseln, ein paar korrumpierbare Regierungen, ein paar Landstriche mit wertvollen Rohstoffen, mit fruchtbaren Böden auch, denn Hungrige zahlen den letzten Rappen für ein Stück Brot, natürlich ein paar weltweit erfolgreiche Unternehmen, so dass sich mit der Monopolbildung die Börsenkurse Ihrer Besitzungen spekulativ beeinflussen lassen.
Das müssen Sie natürlich nicht alleine machen. Die Finanzindustrie hilft Ihnen dabei. Bis die nächste Blase platzt. Wenn Sie dann nicht schnell genug waren, dann wären Sie sicherlich froh, hätten Sie einfach nur Wassergeld gehabt. Wassergeld, das richtig funktioniert, das fliesst und nicht platzt, denn Geld muss fliessen und wenn es sich staut, dann muss es langsam versickern und verdunsten.
Geld muss fliessen und die Menge des Geldes muss der realen Wirtschaftskraft entsprechen. Es muss entstehen und vergehen können, so wie diese wächst oder sich reduziert. Nicht mehr und nicht weniger. Und das kann funktionieren. Aber nicht mit der privaten Wachstumsgier unserer Banken. Alle durch sie und ihre Finanzindustrie verursachten Klumpungen, Aufblähungen, Verknotungen, Wucherungen und Stauungen des Geldes sind eigentlich nur Fehlgeburten menschlicher Cleverness, entstanden in kalten Köpfen ohne warme Herzen. Sie verhindern nicht nur gesundes Wachstum, dort wo dieses angebracht ist, sondern auch vernünftige Reifung und Begrenzung, dort wo jene angebracht wären. Aber dafür braucht man ein neues Geld über das nicht diese Banken herrschen. Man könnte es auch Vollgeld nennen, vollwertiges Geld, ohne platzende Nullen. Wenn Sie danach suchen, werden Sie es finden.

Hendrik Barth

Dienstag, 14. Juni 2011

Europa hinter dem Geldschleier

Als ich vor über 40 Jahren in Basel Volkswirtschaft studierte, war die Ökonomie eben daran, den Schleier zu lüften, den von den Klassikern gern benutzte Begriff des "Geldschleiers" über die wahre Bedeutung des Geldes für die Wirtschaft legte. Klingt schleierhaft? So war es auch gemeint, denn Geld hat in der Tat die Gabe, das Denken unscharf zu machen.
Bei der heute aus der Mode gekommenen Geldschleier-Diskussion geht es darum, ob das Geld, die Franken-Euro- und Dollar-Beträge nur die realwirtschaftlichen (Tausch-)Vorgänge abgebildet. In diesem Fall sollte man beim Nachdenken über diese Vorgänge das Geld am besten wegdenken. Das war die alte Geldschleier-These. Die neuere Theorie ging hingegen davon aus, dass Geld eine eigene Qualität und Kraft entwickelt und deshalb in der Ökonomie mitgedacht werden müsse.
Heute weiss ich, dass die inzwischen nicht mehr so neue Theorie richtiger ist als uns allen lieb sein kann. Indem der Geldschleier das ökonomische Denken vernebelt, verunmöglicht er sinnvolle wirtschaftspolitische Diskussionen und Entscheide. Und das schlimmste daran ist: Wir merken es nicht einmal mehr.
Ein alltägliches Beispiel. In der NZZ lese ich, dass China zwar jahrelang ein an sich erfreuliches Wirtschaftswachstum von 10 Prozent gehabt habe. Leider habe dieses Wachstum aber auch Begehrlichkeiten geweckt und Lohnsteigerungen geführt, sodann China jetzt seinen Standortvorteil der tiefen Löhne zu verlieren drohe. Bereits würden einige Firmen eine Auslagerung der Produktion ernsthaft erwägen.
Reissen wir den Geldschleier mal weg. Das BIP ist das, was China jährlich produziert - und weitgehend auch selbst konsumiert. Und der gestiegene Lohn ist nichts anderes als eben dieser höhere Konsum - ausgedrückt in Geldeinheiten. Tiefe Löhne als Wettbewerbsvorteil zu bezeichnen ist idiotisch. Im Gegenteil: Wenn "Wettbewerbsvorteile" wirklich vorteilhaft sind, dann führen sie zu höheren Löhnen. Alles andere wäre Ausbeutung.
Ein anderes Beispiel sind Griechenlands Schulden, die den Euro bedrohen und deshalb jetzt dringend weggespart werden sollen. Tunnelblick auf die Geldgrösse Staatsschulden. Reissen wir den Geldschleier weg, zeigt sich eine viel komplexere Wirklichkeit. Die Schulden von Griechenland, Spanien oder Portugal sind - grosso modo - die kumulierten Handelsbilanzdefizite dieser Länder. Und diese wiederum entsprechen - grosso modo - den Überschüssen von Deutschland. Also können die Schulden- und Guthaben - innerhalb des Euroraumes nur abgebaut werden, wenn die Güterströme wieder in die andere Richtung fliessen, sprich, wenn Deutschland mehr konsumiert und seinen "Standortvorteil" der tiefen Löhne aufgibt. Sparübungen in Griechenland, Portugal und Spanien machen die Sache nur noch schlimmer.
Jetzt bleibt nur noch die Hoffnung, dass Europas Politiker wieder durch den Geldschleier hindurch sehen, bevor es zu spät ist.

Werner Vontobel

Sonntag, 12. Juni 2011

GELD

Bahnhofstrasse Ende April. 12 Personen haben sich für ein besonderes Seminar eingeschrieben – eine Strassenretreat nach dem Vorbild von Bernie Glassman. Er begann damit anfangs der 90 Jahre in den Strassen von New York. Es gilt, sich für ein paar Tage mit ein paar Franken, aber ohne Koffer und Schlafsack, ohne Feldflasche und Picknick dem Leben auf der Strasse zu öffnen und sich berühren zu lassen von der Freude und dem Leid, das uns dort begegnet. Die „Strasse“ wird sozusagen zum Klassenzimmer und zur Lehrmeisterin.
Für dieses Mal sollte nicht der berühmt berüchtigte Kreis 4, sondern die Bahnhofstrasse zum Lern- und Übungsort werden. In der vorbereitenden Runde klagten die Teilnehmenden darüber, dass ihnen der Morgenkaffe am meisten fehlen werde. Auf dem Weg zum Bahnhofplatz zeigte sich dann eine erste Überraschung. Ein Mann verteilte Werbezettel, die zum Gratiskaffee im neu eröffneten Mac Donald einluden. Da er uns gleich mehrere mitgab, war der Morgenkaffee damit gerettet. In dieser Weise ging es den ganzen Tag weiter. Um das Essen brauchten wir uns nicht zu sorgen. Grosszügig waren Ladenbesitzer jeweils bereit, uns Nahrungs-mittel zu überlassen, die nicht mehr ganz frisch waren.
Tagsüber waren wir immer zu zweit unterwegs, manchmal sassen wir während ein paar Stunden am selben Ort und liesse uns vom geschäftigen Treiben in der Bahnhofstrasse berühren, tauchten ein in eine Atmosphäre von Kauflust und Atemlosigkeit, von Hochglanzfolien-schönheit und müden, abgespannten Gesichtern. In dieser Strasse rollt der Rubel, da und dort hüpft er munter vor sich hin. So fanden wir beispielsweise an einem frühen Morgen eine 100 Franken Note auf einem Trottoir liegen.
Rund um den Paradeplatz herrschte eine besondere Stimmung. Zwar war auch hier tagsüber ein hektisches Treiben. Die würdigen Eingangshallen der Banken lösten bei den Teilnehmenden widersprüchliche Empfindungen aus: ehrfürchtige Distanziertheit und Zorn, Respekt und Ohnmacht, Selbstverständlichkeit und Neugier. Wir versuchten zu verstehen, was hinter diesen Mauern passiert und was Geld bedeutet.

So setzten wir uns an einem Abend nach der Rush Hour in einem Kreis in die Mitte des Platzes. Schon nach kurzer Zeit stand die Polizei vor uns. Etwas ungläubig liessen sie uns gewähren, wie sie hörten, dass wir für die Mitarbeitenden der Banken meditierten und „Geld“ verstehen wollten.
Hier ein paar Erkenntnisse aus der Meditation:
„Geld ist Energie, die fliessen will. Wird es gehortet, so fängt es wie stehende Gewässer an zu stinken und vergiftet allmählich das Klima. „
„Geld, das nicht fliessen kann, behindert den Kreislauf des Lebens.“
„Hat Geld keinen realen Gegenwert, so fehlt die Bodenhaftung. Der freie Fall mit fatalen Konsequenzen für viele ist vorprogrammiert.“
„Je mehr Geld, umso geringer die Erfahrung der Fülle des Lebens. Verlust droht und Angst wächst.“
„Geld ist wertneutral. Binde dein Herz nicht daran und lass es fliessen.„
Fazit der Meditation war: „Merke dir im Umgang mit Geld: Die wichtigsten Dinge des Lebens lassen sich nicht kaufen.“

Anna Gamma
KAUFEN OHNE FRANKEN

Wie wär’s, statt die desolate Situation unseres Geldsystems einmal mehr zu beklagen etwas Neues auszuprobieren: Ein Geld, über das nicht die Bank verfügt, sondern das ich mir selbst erschaffen kann. Und das nach Regeln funktioniert, die das Geld im Kreislauf fliessen lassen?
Talent ist das Stichwort dafür: Die eigenen Begabungen; der Tauschkreis TALENT und das Zahlungsmittel Talent, mit dem sich die Mitglieder gegenseitig bezahlen.
Talent hat andere Regeln als das weltumspannende Geld- und Wirtschaftssystem. Dieses sorgt durch den Mechanismus des Zinseszinses und Gewinnstrebens für eine riesige und kontinuierliche Umverteilung des Geldes von der Allgemeinheit zu den Reichen. Mit diesem Geld können die Reichen die Lebensgrundlagen der Erde kaufen: Wälder, Quellen, Ackerboden usw.. Da die wachsenden Geldvermögen bedient werden müssen, muss auch die Wirtschaft wachsen, was wiederum eine zunehmende Ausbeutung von Natur und Mensch nach sich zieht. Zudem sind regelmässige Krisen und Zusammenbrüche systemimmanent.
Ein Geld, das andere Regeln hat, hat auch andere Wirkungen. Talent und andere komplementäre Währungen generieren keinen Zins und kein Wachstum. Ihre Eigenschaften und Regeln fördern eher soziale Beziehungen und Nachhaltigkeit, wie die folgenden Punkte zeigen:


Nachhaltige Wirkungen im Sozialen
• Soziale Beziehungen stärken, verstärken des sozialen Netzes, neue Kontakte
• Talente fördern, brachliegende Potenziale werden geweckt und gefördert (im Gegensatz zur Einspurigkeit im Beruf)
• Bei knappen Franken sich zusätzlich etwas gönnen können
• Werte hinterfragen und miteinander diskutieren
• Nachhaltige Wirkungen im Ökonomischen
• Zusatzverdienst, Möglichkeiten für Arbeitslose
• Eigene Arbeitskraft unmittelbar in Kaufkraft umwandeln
• Marktlücken schliessen, individuelle Bedürfnisse z. B. bestimmte Reparatu-ren
• Lokale Ökonomie wird gestärkt: das Tauschmittel oder Regiogeld bleibt vor Ort und verschwindet nicht im globalisierten Kapital
Nachhaltige Wirkungen im Ökologischen
• Regionale Märkte stärken: Transportaufwand durch kleinräumiges Wirtschaften sinkt
• Ressourcensparendes Wirtschaften: Reparieren, Recyceln, Mehrfachnutzung, weniger Neukäufe
• Vergütung von Einsätzen in ökologischen Projekten mit Talent möglich, wodurch diese Arbeit erweitert werden kann.

Talent unterscheidet sich vom üblichen Geld fundamental durch die Art und Weise, wie es geschöpft wird. Es ist nicht, wie der z. B. der schweizer Franken ein Schuldgeld, sondern es entsteht, wenn eine Leistung erbracht wird. Dem Erbringer der Leistung wird der Betrag in Talent gutgeschrieben, dem Bezüger abgezogen. Tauschen die beiden wieder zurück, sind sie wieder auf Null. Das Talent ist sozusagen wieder verschwunden, hat aber seinen Zweck als Tauschmittel und vorübergehendes Äquivalent für eine erbrachte Leistung erfüllt. Talent ist immer verfügbar, da es ja jederzeit durch eine Leistung geschöpft werden kann.

Wer bei TALENT mitmachen will, wird Mitglied im Verein und erhält ein Konto, über das die Talent-Buchungen abgewickelt werden. Mit e-Talent, der neuen Tauschsoftware, kann jedes Mitglied sein eigenes Profil erstellen, Anzeigen schalten, Rechnungen schreiben und selbst Überweisungen vornehmen. Mit einer Suchfunktion kann man sowohl Angebote wie Nachfragen und auch Mitglieder finden. Bei Unsicherheit ist das Sekretariat jederzeit behilflich.
Der Tauschhandel funktioniert erfahrungsgemäss dann besonders gut, wenn man sich kennt. Deshalb sind regionale Gruppen mit regelmässigen Treffen gut geeignet zum Tauschen. Die Infrastruktur von TALENT kann schweizweit benutzt werden, richtig lebendig wird das Tauschen jedoch, wenn man sich persönlich treffen kann und weiss, wer was anzubieten hat. Im Gespräch können oft unvorhergesehene Tauschgeschäfte zustande kommen. Deshalb forcieren wir aktive Regionalgruppen.

Ursula Dold, TALENT Schweiz

Sonntag, 5. Juni 2011

Geld

Geld.
Woher stammt wohl dieses Wort? Wenn man das e mit einem o austauscht, wird es zu Gold.
Die Menschen jedoch sagen, Geld heisse so, weil es ein Wertmassstab sei und Geld komme von „gelten“.
Ist auch Nebensache: Geld hat, egal wer der Urvater auch gewesen sein mag, Jahrhunderte überlebt. Die meisten Menschen bezahlen heute mit Geld ohne darüber nachzudenken warum.
In meinen Augen ist Geld eine Art Tradition, die seit Jahrhunderten von Mutter zu Tochter, von Vater zu Sohn weitergegeben wird. Deswegen hinterfragen die meisten Menschen Geld auch nicht. Es ist einfach so, weil wir es nicht anders kennen. Es scheint eine gute Erfindung zu sein, dieses Geld, aus rein biologischer Sichtweise. Schliesslich währt nur das, was dem Menschen das Überleben sichert.
Der moderne Mensch hat nur überlebt, weil er den Wurfspeer entdeckt hat. Ganz im Gegensatz zum Neandertaler, der ist gestorben weil er den Wurfspeer eben nicht entdeckt hat.
Daraus schliesse ich, Geld muss dem Menschen das Leben sichern.
Sichert Geld heute den Menschen noch das Leben?
Wir haben Arbeitslosigkeit, was laut meinem Vater eher den Namen „Geldlosigkeit“ verdient hätte, denn an Arbeit mangelt es nie. Meistens wird aus Kostengründen Personal abgebaut, obwohl genügend Arbeit vorhanden wäre.
Wir haben Working-Poor, die trotz Arbeit zu wenig verdienen, um ihren Lebensunterhalt zu finanzieren.
Wir haben Armut, trotz den vielen reichen Staaten und den vielen reichen Menschen.
Und trotzdem: Es geht zu vielen Menschen noch zu gut, als dass wir unser heutiges Geldsystem anzweifeln würden.
Was macht denn einen Menschen arm? Warum ist ein anderer reich?
Kennen Sie den Zins? Und den Zinseszins?
Ich bin zwar nicht religiös, trotzdem steht etwas in der Bibel, das ich richtig finde:
Laut der Bibel ist der Zins verboten. Weiss das der Papst? Hat der Papst denn die Bibel jemals richtig gelesen? Er als Gottes Sprachrohr, Vermittler zwischen Himmel und Erde, hätte er nicht den Zins längst abschaffen müssen? Hier in Europa leben mehrheitlich Christen, da verwundert es mich sehr stark, dass wir den Zins noch nicht abgeschafft haben. Wenn der Zins verboten ist, ist der Zinseszins sowieso eine Todsünde. Oder etwa nicht?
Wenn jemand pro Monat 3‘800.- verdient, davon 1´100.- gleich als Miete abgeben und daneben noch zu Essen und zu Trinken kaufen, plus die Steuern Ende Jahr bezahlen muss, bleibt ihm nicht viel Geld übrig um zu sparen. Auch der Zins fällt hier eher mickrig aus.
Wenn einer aber Grossverdiener ist und auch noch Bonuszahlungen erhält, dem bleibt ziemlich viel übrig Ende Jahr um zu sparen. Somit auch viel um sein Geld arbeiten zu lassen und Zins ausbezahlt zu bekommen. Auch wer ein Erbe antreten kann, hat plötzlich mehr Geld auf der Bank, das einfach so arbeitet, ohne dass man den Finger dafür rühren muss.
Mit dem Zins werden die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer. So einfach ist das.
Wir leben in einem kapitalistischen System und in einem solchen wird alles privatisiert um den Gewinn zu maximieren. Private denken nicht demokratisch, sondern kapitalistisch. Gewinn ist was zählt. Aber kann man immer mehr Gewinn machen auf Kosten der Bevölkerung?
Haben Sie schon einmal die Aufnahmebedingungen in die Europäische Union durchgelesen?
Es gibt 9 Grundsätze die in einem Staat vorhanden sein müssen, um der Europäischen Union beitreten zu können. Zwei davon sind folgende:
• Demokratisches handeln und denken
• Fortschritt der Privatisierung der staatlichen Betriebe
Fällt Ihnen etwas auf? Genau! Das sind zwei Gegensätze, die man gar nicht miteinander vereinbaren kann. Was privat ist, gehört nicht mehr dem Volk und ist somit auch nicht mehr demokratisch.
In der Schweiz haben wir eine „Halbprivate“ Nationalbank, eine private SBB, die private UBS, die private Post und die dem privat Recht unterstellten AXPO, also auch unser Strom fliesst privat.
All diese Unternehmungen gehören doch eigentlich zum Schweizer Markt. Und ein Markt in einer Demokratie muss in meinen Augen dem Volk gehören. Wenn der Markt dem Volk gehört, kann es darauf Einfluss nehmen und den Zins abschaffen. Dann wären auch die Reichen nicht mehr so reich.
Fabienne Muri
(Im Auftrag hochgeladen von Dominik Riedo)

Freitag, 3. Juni 2011

Geld ist nichts

Geld ist nichts – fast nichts.
Die Herstellung einer Banknote, gleichviel welcher, kostet dreißig Rappen
von alles beherrschendem Buchgeld nicht ein paar Klicks.
Geld ist, wenn es nicht mehr ist
nicht mehr bei mir
wenn ich es gebraucht – verbraucht – habe
für Güter und Dienste.

Geld regiert die Welt.
Also regiert nichts die Welt
ein Nichts aus Zahl
ab und zu etwas Papier und Metall
einigermaßen sinnreich gestaltet.
Die große Zahl.
Der Wahn der Möglichkeiten.
Die Gier nach diesem Wahn, die zwielichtige Aura dieser Gier.
Das Mögliche fällt ab wie welkes Laub
verfestigt sich vielleicht hin und wieder
zu ein paar wirklichen Villen hinter wirklichen Mauern
zu teuren Autos, Botox.
Die hohe Zahl bleibt, die immer höhere – und die Gier danach.
Nach einem Haufen Geld, doch Geld stinkt auch bei Durchfall nicht.
Und die Gier – duftet sie vielleicht? Verführt sie, wie körperlicher Reiz
der stärker und mehr ist als jeder Körper, jedes Wesen
von dem er ausgeht?

Eine Billion Simbabwe-Dollars für ein Brot, ein Brot für eine Billion
wenn es denn noch Brot zu kaufen gibt.
Die Demokratie des Marktes – für die, die Geld (nicht mehr) haben
das Geld wert ist.
Demos, das Volk, one man, one vote.
One man, one vote – even without (US-)Dollars, Euros, Swiss Franks?
Finanz- und Wirtschaftskrisen sind für alle – auch die guten Zeiten?
Demokratie der Finanzkrisen, des Weniger
egal, ob gewählte Regierungen und Parlamente oder Diktatoren
die Lasten verwalten.

Geld ist nicht, es wird.
Es wird geschaffen
SNB, EZB, Fed.
Aus nichts etwas, das nichts ist – fast nichts.
Ein Fast-Nichts, das nur etwas wird, wenn hinter der Zahl Wert steckt.
Kaufkraft.
Die Kraft, dafür zu sorgen, dass Geld dadurch wird
dass es nicht mehr ist.
Nicht mehr bei mir, da ich das Kraft gewordene Geld
kraft angewandter Geldphysik nicht mehr habe.
Geld wird geschöpft
meist ohne Gebet und Heilige Schrift.
Die Notenbanken als Fast-nichts-Schöpfer
und nicht selten als Sklaven ihrer Schöpfung.

17. April 2011
Martin Egidius Aebli

(im Auftrag hochgeladen von Dominik Riedo)

Mittwoch, 1. Juni 2011

Die allerdümmste und allerniederträchtigste Kategorie stellen die Kaufleute dar, weil sie ja das niederträchtigste aller Geschäfte betreiben, und zwar mit ausgesprochen niederträchtigen Mitteln: Obgleich sie, wo immer es geht, lügen, falsch schwören, stehlen, betrügen und blauen Dunst vormachen, spielen sie sich dessen ungeachtet als die Elite des Volkes auf, weil ihnen das Gold buchstäblich an den Fingern klebt.
Erasmus von Rotterdam
(Per Klopfzeichenauftrag hochgeladen von Dominik Riedo)