Donnerstag, 28. Juli 2011

Gier + Kritik

Kritik macht nachdenklich.
Nachdenken macht traurig.
Traurigsein ist ungesund.
Gesundsein macht produktiv.
Produzieren macht gierig.
Gierigsein will immer mehr.
Mehr macht nicht glücklich.
Glück ist anderswo. Wo denn?
Beim Kritisieren; beim Produzieren;
beim Nachdenken; beim
Traurigsein; beim Gesundsein.
Beim Gierigsein? Manchmal.

Roland Huber, Zug

Montag, 25. Juli 2011

Parallelen Staatsbankrott Argentinien 2001 zum Scheitern der EU 2011 und des Gemeinschaftsgeldes EURO

Argentinien war schon immer eines meiner Traumdestinationen.
Im Jahr 2001 verwirklichte ich mir meinen Traum und machte mich auf den Weg um dort zu arbeiten. Mein Gehalt wurde in US-Dollar ausbezahlt. Dies ermöglichte mir einen angenehmen Lebensstil in Buenos Aires. Die Sonne schien, es gab alles zu kaufen und die Stadt ist atemberaubend schön. Nicht ohne Grund nennt man Buenos Aires das Paris Südamerikas.
Aber dies war alles nur Fassade, die im Laufe des Jahres immer mehr zu Bröckeln begann. Ich wurde Zeuge eines historischen Umbruchs. Ich wurde Zeuge eines Staatsbankrottes. Dieses Erlebnis veränderte mein ganzes Leben. An alles, an was ich zuvor geglaubt habe konnte ich nicht mehr glauben.

Zu meinem Entsetzen sehe ich 10 Jahre später in Europa erschreckende Parallelen zu meinen damaligen Erlebnissen.
Genauso wie die Mitgliedsländer der EU hat auch Argentinien seine Zinspolitik aufgegeben und den Peso an den Dollar gekoppelt. Jahrelang lebten ebenfalls die Argentinier enorm über ihre Verhältnisse. Durch die Bindung an den Dollar hatte Argentinien eine negative Handelsbilanz und eine daraus resultierende stark steigende Staatsverschuldung vorzuweisen.
Die Inflation war absurd hoch. Im Laufe der Zeit verteuerten sich alle Güter immens.
Beispielweise kostete ein Joghurt bei meiner Ankunft ca. 2 Dollar. Was an sich schon teuer war. Nur drei Monate später waren es schon 2,50 Dollar und wiederum ein Monat später schon 3,20 Dollar. Telefonieren war purer Luxus. Meine Telefonkosten beliefen sich auf über 1000 Euro pro Monat. Mir blieb bei meiner ersten Rechnung beinahe das Herz stehen. Ich war davon überzeugt, dass es sich bei der Rechnung um einen Irrtum handelte – dies war jedoch nicht der Fall. Argentinien hatte zeitweise die höchsten Telefongebühren der Welt. Die Inflation war enorm. Die Preise stiegen täglich.
Auch Argentinien hat der IWF versucht zu helfen – ohne Erfolg. Ganz im Gegenteil, die Lage wurde verschlimbessert.

Die Beschwichtigungen, des unglücklich agierenden Präsidenten De la Rua wurden immer häufiger und verzweifelter. Spätestens im Herbst war vielen klar das Argentinien hoffnungslos verschuldet war. Ähnliche Beteuerungen sehe ich momentan von einem Herrn Trichet, Barosso, Schäuble und Juncker.
Auf Grund der zunehmenden Kapitalflucht, sah sich die Regierung gezwungen sämtliche Bankguthaben einzufrieren (Coralito) und die Banken zeitweise zu schließen. Als ich an jenem Morgen aufwachte, waren alle Banken geschlossen und die Bankautomaten funktionierten nicht mehr. Die Leute waren außer sich.
Es durften nur noch 250 Peso pro Konto und Woche abgehoben werden. Die Währung wurde über Nacht abgewertet und alle Dollarguthaben wurden in Pesos umgewandelt. Jeder Bürger war über Nacht ärmer geworden. Viele aus der Ober- und Mittelschicht verloren viel bis zu teilweise fast alles. Die Wut war enorm und absolut verständlich. Der Staat hatte seine eignen Bürger in einer Nacht und Nebelaktion beraubt.

Die Folge waren starke soziale Unruhen, Plünderungen und die Kriminalität stieg immens. 
Der Peso verlor weiter drastisch an Wert und die Immobilienpreise fielen stark (bis zu 90%!).
Die Lage spitzte sich weiter dramatisch zu. Es gab viele Tote und Verletzte bei den Demonstrationen und schließlich musste Präsident De la Rua film reif im Helikopter vor dem wütenden Mob aus dem Präsidentenpalast flüchten. Anschließend wurde ein trauriger Rekord aufgestellt und es gab Innerhalb von 10 Tagen fünf Präsidenten.

Auf den Straßen herrschte pure Anarchie. Die Stadt war nicht mehr sicher. Die Menschen hatten viel oder sogar alles verloren. Die, die nun nichts mehr zu verlieren hatten ließen ihrer Not, Wut und Verzweiflung freien Lauf. Geschäfte brannten oder wurden geplündert, Menschen überfallen und in Häuser eingebrochen. Die Kriminalität war allgegenwärtig. Die Polizei war maßlos überfordert und teilweise selber ein Teil der Kriminalität.
Ich selber wurde zweimal überfallen und dabei sogar mit einer Waffe bedroht. Auch Handgeld an Polizisten zu bezahlen war Gang und Gebe. Ich wollte nur noch raus aus Argentinien. Ich war froh als ich aus dem Land war. Den Glauben an den Kapitalismus, an Papierwerte sowie an ungedecktes Geld hatte ich in Argentinien zurückgelassen. Ich fing an mich kritisch mit dem System auseinanderzusetzen und Lösungen zur Vermögenssicherung zu finden.

Fazit:
Es war der bislang größte Staatsbankrott eines souveränen Staates in der neuern Zeit.
Staatsanleihen im Wert von über 140 Milliarden Dollar wurden wertlos, ein großer Teil davon kam von Privatgläubigern, auch aus Europa und vor allem aus Deutschland. Die deutschen Bankberater empfahlen ihren Kunden die hochverzinsten Papiere, mit dem Hinweis: „Ein Staat, der kann doch gar nicht Pleite gehen.“ Pustekuchen! Kann er doch!
Der Peso verlor 75% an Wert, Immobilien bis zu 90%!
Die Banken wurden immer wieder geschlossen. Eine komplette Mittelschicht war von heut auf morgen verarmt. Die Armutsrate stieg auf unglaubliche 57% und die Arbeitslosenquote überstieg die 20%.
Das BIP verlor (offiziell) 2001 4,4% und 2002 knappe 11%. Die Inflation war bei 26%!
Innerhalb weniger Tage bildeten sich neue wirtschaftliche Strukturen. Tauschhandel und Regionalwährungen halfen vielen Argentiniern die Misere zu überstehen.
Übrigens: Die deutschen Gläubiger warten bis heute auf ihr Geld.
Und der nächste argentinische Staatsbankrott ist so sicher wie das Amen in der Kirche!
Die EU und der EURO sind gescheitert! Es ist nur noch eine Frage der Zeit. Erst Island, dann Griechenland, Irland, Portugal. Bald Belgien, Spanien, Italien......

Marc Friedrich

Sonntag, 24. Juli 2011

Das Mass aller Dinge

"Geld ist das Mass aller Dinge", sagt der Finanzwissenschaftler, und seine Äuglein glänzen. "Mit Geld kann ich die unterschiedlichsten Dinge vergleichen und ihren Wert am Markt messen."

"Du hast Recht", sage ich. "Denn nirgends gibt es sonst ein Mass, das alle Dinge erfassen könnte: Flüssiges misst man in Litern, Festes in Kilogrammen, Langes in Metern, Dauerhaftes in Jahren und so fort. All das lässt sich aber in Geld messen, wenn man seinen wirtschaftlichen Wert messen will."

"Nein", sagt der Betriebswirtschaftler, "der wirtschaftliche Wert liegt nicht im Geld, sondern in der Wertschöpfung. Wertvoll ist eigentlich die produktive Tätigkeit, welche vorhandene Güter in solche mit höherem Wert transformiert. Entscheidend ist der Nutzen, den der Produzent für sich und seine Käufer stiftet."

"Du hast Recht", sage ich. "Denn erst der Mehrwert eines Produktionsprozesses schafft einen Wert, der höher ist, als jener der schon vorhandenen Güter".

"Nein", sagt der Volkswirtschaftler. "Eigentlich wertvoll ist erst der Beitrag zum Volkseinkommen, der mit der Wertschöpfung geleistet wird."

"Du hast Recht", sage ich. "Denn der individuelle Wert für Produzent und Käufer ist erst als Teil der Wohlfahrt der Gemeinschaft sinnvoll."

"Nein", sagt der Unternehmer. "Das ist Theorie. Wertvoll ist für mich, dass ich mit meinen Leuten einen sinnvollen Beitrag zum Wohlergehen meiner Kunden leisten kann. Jeder soll nach seinen Wünschen glücklich leben können."

"Du hast Recht", sage ich. "Denn der Wert des Wirtschaftens liegt doch darin, dass jeder durch seine Leistung zum grössten Glück der grössten Zahl beiträgt."

"Nein", sagt der Philosoph. "Nicht das grösste Glück der meisten Leute ist der höchste Wert unseres Strebens. Entscheidend für die Qualität des Lebens ist vielmehr die Gerechtigkeit. Die beste Lebensform ist jene, welche jeden Einzelnen am wirksamsten vor Unrecht schützt."

"Du hast Recht", sage ich. "Denn jenseits aller Güter und Glücksvorstellungen ist die Würde des Menschen das echte Mass für ein sinnvolles Leben".

"Nein", sagt nun der Banker. "Das ist mir alles zu komplex. Da halte ich mich doch lieber an das Geld. Ein Mass muss einfach sein. Mit Glück und Würde aber kann ich gar nichts messen."

"Nein", sage ich. "Wenn du das Geld allein zum Massstab machst und dabei die Wertschöpfung, das Volkseinkommen, das Glück und die Gerechtigkeit beiseite schiebst, hast du kein Mass. Dein Handeln bleibt wertlos, schadet der Wohlfahrt, macht andere unglücklich und wird ungerecht. Was du an Geld gewinnst, verlierst du an Mass. Denn Geld allein ist nur das Mass aller Undinge".

Philippe Mastronardi

Freitag, 22. Juli 2011

Hellseher oder Expertenmeinungen und -prognosen sind verlässlich

Es ist doch erstaunlich, dass nicht ausschließlich die nette kartenlegende Dame auf meinen hinteren privaten Fernsehkanälen in die Zukunft schauen kann sondern auch Politiker und natürlich Banker. Wie oft hat jeder von uns schon gehört: dieses Produkt wird sich bestimmt positiv entwickeln, die Wirtschaft wird um mindestens x-Prozent steigen, der DAX/ Dow Jones … wir Ende des Jahres bei mindestens X Punkten sein und somit um X Prozent gestiegen sein. Zu beachten ist jedoch, dass Banker ausschließlich steigende Kurse vorhersagen können. Mir wurden bisher zumindest von keinem Banker fallende Kurse prognostiziert.
Nun aber Spaß beiseite. Können Banker und Analysten wirklich in die Zukunft sehen? Nein, natürlich nicht. Jedoch glauben anscheinend immer noch ein Großteil der Banker selbst und leider auch Bankkunden, dass diese es können. Hier habe ich ein paar herausragende Beispiele zusammengetragen in wieweit absolute und Hochbezahlte Experten in die Zukunft schauen können. Am besten verlieren Sie bitte Ihren Humor nicht und nehmen Sie zukünftig Aussagen von Politikern und Bankern mit Humor und auf keinen Fall ernst.
Viel Spaß beim „Best of“ der Banker, Politiker und sonstiger Dummschwätzer die sich als hellseherische Experten darstellen.
 „Ich forme diese Industrie... In 12 bis 18 Monaten wird man auf die jetzigen Kurse der Telekomtitel blicken und sich wünschen, man hätte diese Aktien seinerzeit gekauft.“
Jack Grubman, ehemaliger Staranalyst von Salomon Smith Barney, Tochter der US-Bank Citigroup, im März 2001 zu Telekommunikationsaktien.
Heute notiert die niederländische KPN 25 Prozent, Vodafone ungefähr 40 Prozent und die Deutsche Telekom etwa 60 Prozent niedriger als damals .
 „Comroad hat das Potenzial, einer der leuchtendsten Sterne in der sich schnell entwickelnden Telematikwelt zu sein.“
Analysten der niederländischen Bank ABN Amro nach dem Höhepunkt der Dot-Com- Blase im November 2000 über die Zukunft von Comroad. Kurze Zeit später war das Unternehmen pleite .
 „Auf mittlere Sicht dürften die Preise unter 300 Dollar je Unze fallen .
Die Weltbank im September 2003 zur Entwicklung des Goldpreises. Heute kostet die Unze Gold rund 1.500 Dollar pro Unze – also fünfmal so viel.
 "Im November oder spätestens im März nächsten Jahres sollte das Vertrauen zurück sein. Bis dahin sind die Quartals- und Jahresabschlüsse von 2007 veröffentlicht. Dann sollte die Krise ausgestanden sein.“
Klaus-Peter Müller, Ex-Commerzbank-Chef im Oktober 2007 über die Dauer der Finanzkrise .
 "Die Finanzkrise wird aus heutiger Sicht keine großen Auswirkungen auf die Struktur der privaten Banken in Deutschland haben."
Frank Mattern, Deutschland-Chef der Unternehmensberatung McKinsey im Dezember 2007 .
 "Aus der Finanzkrise ergeben sich keine unmittelbaren Risiken für die Haushaltsplanung. Die Bundesregierung behält daher das Ziel bei, möglichst 2011 einen Haushalt ohne Neuverschuldung vorzulegen."
Peer Steinbrück; Bundesfinanzminister; Oktober 2008 .

 Im Jahresbericht, der im November 2007 veröffentlicht wurde, gehen die “Wirtschaftsweisen” Deutschlands in ihrem Gutachten davon aus, dass eine Rezession nicht droht . Der Großteil dieser so genannten Experten wurde von der Finanzkrise schlicht und einfach überrollt. So weise sind diese Weisen wohl dann doch nicht!
 Die Bundesregierung ging im Mai 2008 von einem Wachstum von 1,2 Prozent für 2009 aus . Die Bundesbank sagte im Juli 2008 ein Wachstum von 1,5 Prozent für 2009 voraus . Der damalige Wirtschaftsminister Glos ging im Januar 2008 von knapp unter zwei Prozent Wachstum für 2009 aus . Heute ist bekannt, dass alle diese Prognosen falsch waren. 2009 bescherte der deutschen Wirtschaft ein Minus von ungefähr 5 Prozent .
 Verheerend sind auch die Prognosen folgender Experten. Die Zeitung Welt stellte im Sommer 2008 die Frage wie hoch die Wahrscheinlichkeit einer Rezession ist. Hier die Antworten:
• Michael Bräuninger vom Hamburger Forschungsinstitut HWWI rechnet mit einer Wahrscheinlichkeit von fünf Prozent.
• Kai Carstensen, Ifo: <10 Prozent
• Stefan Kooths, DIW: 15 Prozent
• Joachim Scheide, IfW: 20 Prozent
• Jörg Krämer, Commerzbank: 20 Prozent
• Rolf Schneider, Dresdner Bank: 25 Prozent
• Jürgen Michels, Citigroup: 33 Prozent

Der weltweite Handel ist 2009 so stark eingebrochen wie seit 1945 nicht mehr.
Laut WTO ging der Austausch von Waren und Dienstleistungen um 12 Prozent zurück .
Interessant ist auch was die Autoren des Buches ‚Lexikon der Finanzirrtümer‘ zum Thema Zinsprognosen aufgedeckt haben.Laut einer Studie der Hertie-Stiftung zur Vorhersage zur Rendite zehnjähriger Bundesanleihen waren von 425 Vorhersagen von 30 Banken 57 Prozent falsch.
Folglich ist es sinnvoller eine Münze zu werfen – hier ist die Chance statistisch gehen fifty : fifty .

Wie Sie sehen kann niemand in die Zukunft sehen – weder ein Banker noch Politiker noch die nette Dame, die die Karten legt. Geben Sie nichts auf die Aussagen von Bankern, Politikern und Analysten sondern auf Ihren gesunden Menschenverstand – damit werden Sie bestimmt besser fahren!

Matthias Weik
Wir lernen. Und wir vergessen.

Lernend und vergessend stolpern wir durchs Leben. Immer wieder auf der Pirsch nach Neuem. Beutegierig, profitsüchtig, unersättlich. Das Nochmehr wird zur Gewohnheit und zur Gier. Die Gier potenziert sich – bis sie uns zum Nachdenken zwingt. Ein kurzer Halt und das Spiel beginnt von Neuem. Nietzsche’s „Ewige Wiederkehr“ lässt grüssen.
Dies gilt auch für den Umgang mit Geld. Immer wieder werden wir zum Mammonsdiener. Die Konsequenzen von übermässiger Gier werden ignoriert und vergessen. Die Jagd nach noch mehr Geld ist das augenfälligste Synonym dafür – nebst vielen anderen. Auch das Leben an sich kann zur Gier werden: noch intensiver und abwechslungreicher soll es sein. Ueberall, wo gelebt wird, entsteht oder kann Gier entstehen. Das Innehalten, die Entschleunigung wird missachtet. Bis das Mehr nicht mehr glücklich und zufrieden macht. Wir fangen an zu lernen – bis wir wieder vergessen. Die ewige Wiederkehr wird uns immer begleiten. Weil wir Menschen sind und keine Roboter. Zum Glück, mit allen Konsequenzen. Es sei erlaubt zu fragen: Sind Menschen besser und wertvoller, die dieses ewig wiederkehrende Spiel durchschauen und danach handeln? Wenn’s denn so einfach wäre! Bestimmt lediglich ihr Sein ihr Bewusstsein? (Ich nicht, du auch!) Denn neugierig sind wir alle, ob wir wollen oder nicht.
Der Homo sapiens ist tatsächlich ein neugieriges Wesen. Ein Lebewesen, für das Bestehendes nur der Ausgangspunkt ist auf der Suche nach Unbekanntem und noch nicht Erfahrenem. Das Wissen von heute ist bereits morgen Geschichte, vor allem in diesen Zeiten. Technische Errungenschaften beschleunigen den Alltag – beim Broterwerb und im Zwischenmenschlichen. Beschleunigung nimmt ihren Lauf. Neue Werte werden geschaffen. Noch-schneller wird zur Norm. Bis erstes Dagegenhalten entsteht. Eine trügerische Ruhe kehrt ein. Es wird reflektiert. Neugier bleibt aber. Denn der Mensch bleibt Mensch. Langsamkeit, geschweige denn Stillstand sind in seinem Geldverdienen – System, im Kapitalismus nicht vorgesehen. Entschleunigung müsste uns aufgezwungen werden. Neues Denken und andere Ideologien müssten sie verordnen. Womit Zwang entstehen würde, wenn auch (vielleicht?) mit gutgemeinter Absicht, Gewohntes und Bewährtes zu erhalten.
Derartige Vorhaben finden aber nur wenig Gehör, wenn überhaupt. Mehrheiten berufen sich wieder auf menschliche Neu-Gier. Und wieder ist ein kurzes Intermezzo Vergangenheit. Ewiger Fortschritt wird modisch und setzt sich durch. Auch Respekt und Vernunft waren gestern. In der Wirtschaft, insbesondere dort, wo aus Geld Geld generiert wird, verlieren derartige Ueberlegungen wieder an Bedeutung. Mehr noch: Sie gelten zuweilen als naiv und zukunftsschädigend. Geld-Engineering wird zur Religion. Vabanque – Spiele in der Finanzwirtschaft, zumindest im Profitcenter „Schnelles Geld“, werden verdrängt und ignorieren nachhaltiges Schaffen. („Der Mensch ist nur da Mensch, wo er spielt“: Schiller) Die Konsequenzen von überreiztem Finanzroulette sind bekannt. Trotzdem wird weiter spekuliert. Die Alchemie wird grenzenlos. Die nächste Krise kiepitzt mit spöttischem Grinsen um die Ecke: „Ihr entkommt mir nicht!“ Die Spirale dreht sich weiter abwärts bis zum ganz grossen Knall: leben auf privaten und staatlichen Pump!
Oder wird uns eine kontrollierte Gier vor einer globalen Malaise bewahren? Werden wir diesmal frühzeitig lernen? Oder wird Vergesslichkeit einmal mehr den Lauf der Dinge bestimmen? Nietzsche’s Behauptung spricht dafür. Weil wir neu-GIERIG sind. Weil wir Menschen sind. Um es mit einer Investment – Legende zu sagen: „Wir müssen erkennen, dass unser Verständnis der Realität von Natur aus unvollkommen ist, dass Wahrnehmungen zwangsläufig verzerrt und Institutionen fehlerhaft sind.“ Georg Soros weiss, wovon er spricht. Auch er, der erfolgreiche Finanz – Spekulant, weiss zwar um unsere Lernfähigkeit, aber auch um unsere Vergesslichkeit. Vor allem wenn von Geld die Rede ist. Auch wer mehr als genügend davon hat, ist nicht davor gefeit. Auch Spekulanten sind nur Menschen. Und Geld ist offenbar eine Naturveranlagung im Menschen. Was aber noch lange nicht heissen sollte, dass der Krug zum Brunnen gehen muss, bis er bricht. Es sei denn man setzt weiterhin auf das „schnelle Geld“. Und spielt damit.
Auch uns, ohne Casino – Zutritt, bleibt so oder so nur Spekulieren. Spekulieren auf mehr Vernunft und Respekt! Auch wenn alles anders bleiben dürfte… So weit, so negativ.

Roland Huber, Zug.
Ein ganz gewöhnlicher Mensch. Zuweilen auch gierig. Zum Glück aber nicht nur nach Geld.

Dienstag, 12. Juli 2011

Niemals vergessen

16. Oktober 2008: Die internationale Finanzkrise trifft mit ganzer
Wucht die Schweiz. Regierung und Nationalbank kündigen an, für die
UBS ein Rettungspaket in Höhe von 68 Milliarden Franken geschnürt zu
haben: Die Eidgenossenschaft stellt der angeschlagenen UBS 6
Milliarden Franken in Form einer Pflichtwandelanleihe zur Verfügung.
Dazu kommen maximal 62 Milliarden von Seiten der Schweizerischen
Nati-onalbank für eine Auffanggesellschaft für faule UBS-Kredite
("Ramschpapiere").

Das UBS-Rettungspaket war ein einmaliger Vorgang in der Geschichte
der Schweiz. Die Regierung verteidigte ihr aussergewöhnliches
Vorgehen mit dem Argument, dass eine Insolvenz der Grossbank UBS die
ganze Volkswirtschaft zum Zusammenbruch bringen könnte. Die grösste
Bank der Schweiz führt unter anderem die Konten von 130'000 kleinen
und mittleren Unternehmen der Schweiz.

Die Schweiz stand unter Schock, auch wenn sich die Entwicklung
bereits seit einiger Zeit abgezeichnet hatte. Denn die UBS war in
den Strudel der US-amerikanischen Suprime-Krise geraten und musste
hohe Verluste mit Abschreibungen in Milliardenhöhe verzeichnen. Dazu
kam, dass die US-Steuerbehörden der UBS vorwarfen, Amerikanern bei
der Steuerhinterziehung geholfen zu haben.

Vorsichtsregeln missachtet

Im Dezember 2008 verabschiedete das Parlament trotz harscher Kritik
das UBS-Rettungspaket. Die Linke wollte die staatliche Hilfe an eine
stärkere Regulierung des Bankensektors knüpfen. Doch der Plan
scheiterte in diesem Moment. Allerdings stiess das spekulative
Treiben der UBS-Kader auch bei Vertretern von bürgerlichen Parteien
auf Kritik. Viele neoliberale Politiker hatten Mühe, eine Bank wie
die UBS mit Steuergeldern zu unterstützen.

Die UBS erwies sich als europäische Bank, die am stärksten von der
Krise an den amerikanischen Finanzmärkten betroffen war. Seit dem
Jahr 2000 hatte die UBS ihre Aktivitäten im Investmentbanking stark
ausgebaut und dabei alle Regeln der Vorsicht und des Masshaltens
über Bord geworfen - genau die Regeln, die eigentlich das Schweizer
Bankenwesen auszeichnen.

Dies hatte einen extremen Vertrauensverlust des Parlaments gegenüber
der Grossbank und ihrer Fähigkeit zur Selbstkontrolle zur Folge.
Die Regierung wurde daher beauftragt, ein Projekt vorzulegen, durch
welches das systemische Risiko verringert werden soll, dass die
Insolvenz einer Grossbank die ganze Volkswirtschaft gefährden kann.
Es gehe nicht an, dass der Staat wegen der Grösse einer Bank
praktisch ge-zwungen sei, diese mit staatlichen Mitteln zu stützen
(Too big to fail).

Verdoppelung des Eigenkapitals

Die Regierung folgte dem Auftrag. Und das nun von dem Parlament zur
Abstimmung vorgelegte Gesetz sieht eine bessere Verteilung der
Risiken vor, höhere Anforderungen in Bezug auf die Liquidität sowie
ein Stärkung der Eigenmittel.

Systemrelevante Grossbanken müssen demnach ihre risikogewichteten
Aktiven mit gesamthaft bis zu 19 Prozent Eigenkapital unterlegen.
Dies entspricht fast dem Doppelten der Richtlinien, die im
internationalen Abkommen Basel III festgeschrieben sind.

Das Gesetz "Too big to fail" ist vom Ständerat (Kantonskammer)
verabschiedet worden - trotz einiger Kritik von bürgerlichen
Politikern, welche die UBS-Position vertraten. Gemäss der Grossbank
schwächen die ihrer Meinung nach übertrieben harten Vorschriften
ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit.

"Die jüngste Krise hat schmerzhaft aufgezeigt, dass unsere
Volkswirtschaft im Falle der Insolvenz einer Grossbank besonders
stark gefährdet ist", hält Pirmin Bischof von der
Christlichdemokratischen Volkspartei (CVP) dagegen fest. Die Aktiven
der beiden Schweizer Grossbanken (UBS, Credit Suisse) erreichten 38
Prozent des Schweizer Bruttoinlandprodukts. In keinem anderen Land
gäbe es so hohe Quoten.

"Man muss sich fragen, ob die Lektion der Finanzkrise wirklich von
allen verstanden wurde", meint FDP-Ständerat Dick Mary. "Diese Krise
ist ja nicht vom Himmel gefallen, sondern war die Folge einer
ruchlosen Kultur, die auf Geldgier und Spekulation fusste. Es
herrschte ein totaler Mangel an Ethik und Verantwortungsbewusstsein."

Angst vor der Volksmeinung

"Das Projekt ,Too big to fail' stellt das Minimum dar, um eine
erneute Krise zu verhindern", hält der sozialdemokratische
Parlamentarier Hans-Jürg Fehr fest. Seit 2008 habe das Parlament
alle Vorstösse der Linken gebodigt, welche eine stärkere Regulierung
der Bankenbranche forderten, darunter auch ein Begrenzung der
Vergütungen und Boni für die Manager.

In dieser Hinsicht ist im Parlament immer noch die so genannte
"Volksinitiative gegen Abzockerei" hängig. Diese verlangt, dass die
Generalversammlung eines Unternehmens die globale Vergütung der
Kader (Direktion und Verwaltungsrat) festlegt.

Die Linke will die "Abzocker-Initiative" möglichst schnell dem Volk
zur Abstimmung vorlegen. Denn sie weiss um den Unmut in der
Bevölkerung gegenüber den exorbitanten Manager-Löhnen und anderen
Entschädigungen.

So hat etwa die UBS weiterhin Millionenboni an die Mitarbeiter
ausgezahlt, auch nachdem sie durch Staatsgelder gerettet wurde. Doch
der bürgerlichen Mehrheit im Parlament gefällt die
Abzocker-Initiative nicht. Sie will Zeit gewinnen und arbeitet seit
Ewigkeiten an einem Gegenvorschlag.

Während der Sommersession hat der Nationalrat entschieden, die Frist
für die Prüfung der Initiative um ein Jahr zu verlängern. Dies hat
sogar bei einigen bürgerlichen Parlamentariern für Empörung gesorgt,
etwa bei CVP-Vertreter Pirmin Bischof: "Es ist unannehmbar, dass die
Beratung über die Volksinitiative drei Jahre in Anspruch nimmt.
Damit zeigt man, dass man Angst vor dem Volksverdikt hat."

Armando Mombelli
(Anmerkung Redaktion Häfte / Moitié: Beim hier publizierten Text
handelt es sich um einen Artikel von Armando Mombelli, swissinfo.ch,
Bundeshaus (Übertragung aus dem Italienischen: Gerhard Lob). Wir
danken Swissinfo herzlich für die ausdrückliche Genehmigung der
Wiedergabe dieses sehr informativen Beitrages.)


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Kommentar:

Zur Begrüssung ein paar Millionen

Red./ Nach dem die UBS vor dem Bankrott mit einem staatlichen
Rettungspaket von 68 Milliarden CHF gerettet werden musste, lautet
nun das neue Leitmotiv der UBS-Werbung: "Wir werden nicht ruhen".
Wie wahr.

Axel A. Weber, bis 30. April 2011 Präsident der Deutschen
Bundesbank, bekommt für seine Einwilligung, 2013 die Nachfolge von
Kaspar Villiger an der Spitze der UBS anzutreten, ein
Begrüssungsgeld. Gemäss Angaben der Frankfurter Rundschau vom 1.
Juli 2011 erhält Weber unter diesem Titel 2'000'000 CHF in bar sowie
200'000 für ein Jahr blockierte UBS-Aktien, die heute 3'000'000 CHF
wert sind. Die UBS empfängt ihren künftigen Präsidenten aus
Deutschland wie man dort damals einen politischen Flüchtling
aufnahm. Ende der 1980er Jahre erhielten Flüchtlinge aus der DDR und
aus Polen bei der Einreise nach Westdeutschland ein Begrüssungsgeld
von 100 D-Mark.

Basissalär + 2 Vergütungen für den Präsidenten

Axel A. Weber erhält zudem Dokumente über die UBS, darunter eine
40-seitige Broschüre mit dem Titel: "Unsere Vergütung 2010". Daraus
darf der designierte UBS-Präsident entnehmen, was ihn in seinem
künftigen Job pekuniär erwartet. Auf Seite 30 liest er unter dem
Namen seines Vorgängers: Basissalär 2'000'000 CHF (für Villiger auf
850'000 CHF reduziert), jährliche Aktienvergütung 500'000 CHF sowie
Sachleistungen 141'308 CHF - was zusammen 2'641'308 CHF ergibt.

Basissalär + 6 Vergütungen für die Konzernleitung

Axel A. Weber interessiert sich aber auch für die Vergütungen der 13
Konzernleitungsmitglieder. Auf Seite 28 entnimmt er einer Tabelle
den Totalbetrag von 91'030'900 CHF. Geteilt durch 13 gibt pro
Mitglied eine durchschnittliche Entlöhnung von 7'002'376.90 CHF.
Dieser Betrag setzt sich gemäss einer Übersicht auf Seite 3
strukturell zusammen aus dem Basissalär, dem unmittelbaren Baranteil
und dem aufgeschobenen Baranteil gemäss Cash Balance Plan, dem
jährlichen Bonus gemäss Senior Executive Equity Ownership Plan und
dem Performance Equity Plan, dem effektiv aufgeschobenen Anteil in
% des jährlichen Bonus, den Sachleistungen sowie den
Arbeitgeberbeiträgen an Vorsorgeeinrichtungen.

Axel A. Weber will jetzt noch wissen, wer überhaupt über alle diese
Vergütungen entscheidet. Einer Grafik auf Seite 6 entnimmt er, dass
sämtliche Bezüge der Bankspitze vom Human Resources and Compensation
Committee vorgeschlagen und genehmigt werden, einem Gremium, das dem
Verwaltungsrat und dessen Präsidenten, also ihm selbst, unterstellt
ist. Das beruhigt ihn ebenso wie der Umstand, dass ein
Begrüssungsgeld wie in seinem Fall in diesem Vergütungsbericht
nirgends vorkommt. Aber es wird ihm wohl unter der Leitlinie
ausgerichtet worden sein, die lautet: "Unsere höchste Priorität
besteht darin, ein Verhalten zu fördern und zu belohnen, das eine
nachhaltige Profitabilität und damit den langfristigen Erfolg
unserer Bank unterstützt". Er kann sie oben auf Seite 2 quasi als
Präambel zum Vergütungsbericht zur Kenntnis nehmen.

Tatsächlich, diese Bank gibt keine Ruhe.


(Quelle:
16. Jahrgang, 12. Juli 2011
Mediendienst Hälfte
Service de média Moitié
Verein für soziale Gerechtigkeit
Association pour la justice sociale
Wabersackerstrasse 21
CH 3097 Liebefeld-Bern
Tel. + 41 (0) 31 972 82 23
news@haelfte.ch
www.haelfte.ch)

Freitag, 8. Juli 2011

Mittelstand

Kürzlich bin ich dem Mittelstand beigetreten, eröffnet Silvia das Gespräch und leckt sich das Latte-Schnäuzchen von der Oberlippe. Der Mittelstand ist mir nicht fremd, da verbrachte ich meine ganze Kindheit, setzt meine ehemalige Studienkollegin das Thema fort. Während des Studiums musste ich vorübergehend austreten und mich in der Unterschicht ansiedeln. Mit allerhand Nebenjobs hielt ich mich über Wasser. Ich bewohnte in einer 2-er- WG eine 3- Zimmerwohnung – 65 Quadratmeter insgesamt – Gemeinschaftsdusche im Keller – Die Küche mit altem Gasherd war gleichzeitig das Bad, über dem Spültrog, wo ich das Geschirr von Hand abwusch, hatte ich ein Brett montiert, worauf Zahncreme, Zahn- und Haarbürste, wenig Kosmetiksachen, ein Nagelklupper, vor dem sich mein Mitbewohner ekelte, neben Zahnstocher und Rasierzeug (mir schauderte beim Anblick des eingetrockneten Rasierschaums) Deodorant, eine Schachtel Aspirin und Wattestäbchen den Platz optimal ausnutzten. Ich fand das ganze sehr übersichtlich. Nur wenn mein Mitbewohner nach dem Kochen hin und wieder vergas, die Gewürze zurück in die Bananenkisten unter der Küchenablage zu stellen und ich dann schlaftrunken anstatt nach der Zahnpaste zu greifen, den Salzstreuer in der Hand hielt, konnte ich schon mal die Nerven verlieren. Meistens aber fühlten wir uns frei, entbehrten wenig. Es störte uns nicht, dass unser Sitzplatz, gross genug um einen Grill und einen Tisch mit sechs Stühlen aufzustellen, öffentlicher Raum war und so unsere Essen von Fussgängern belebt wurden. Wir gaben schmatzend Auskunft, wenn Touristen nach dem Weg fragten und fühlten uns wie die Könige, wenn sie das offerierte Bier nicht ausschlugen.
Nun bin ich zurück im Mittelstand – jener Schicht, die für meine Eltern den Kompromiss schlechthin darstellte. Meine Mutter bekam das obligate Einfamilienhaus – darunter hätte sie’s nicht gemacht – und mein Vater konnte sein soziales Gewissen wahren (mehr zu besitzen wäre für ihn politisch nicht vertretbar gewesen).
Und - frage ich, nachdem Silvia lange gedankenverloren an dem Latte-Macchiato nippelt – findest du dich wieder zurecht? Mmh, meint sie träumerisch, für das Haus reicht es bei weitem noch nicht, und das Auto ist auch nur geleast, aber wir verdienen schon so viel, dass wir uns die Kinderkrippe gerade nicht mehr leisten können. Oh, erwidere ich bedauernd, und was macht ihr, wenn die Grosseltern nicht mehr mithalten können mit dem Kinderhüte-Dienst? Dann, setzt Silvia entschlossen an, ziehen wir definitiv wieder in die Unterschicht.

Gabriela Wild
Ein motivierender Bonus

Vor einigen Jahren wurde ich „motiviert“ für den Bereich Vertrieb mit Aussendienstmitarbeitern ein Bonussystem zu erarbeiten. Ziel: Ankurbelung der stagnierenden Umsatzkurve. Selbstverständlich hatte ich dazu alle nur erdenklichen statistischen Werte zur Verfügung. Ich war, wie mein damaliger Vorgesetzter, der Meinung, dass dies auch funktionieren würde. Nach einem Entwicklungs-Prozess zusammen mit dem Verkaufsleiter und den Aussendienstmitarbeitern (Absichtserklärung, Zielfestlegung, Evaluation, Mitarbeiter-Gespräche, etc.) wurde dieses Bonussystem eingeführt. Wir hatten eine beachtliche Energie in die Erarbeitung und vor allem in die Verhandlungen der Bonuspläne investiert. Bei der Standortüberprüfung nach drei Jahren fiel das Ergebnis absolut ernüchternd aus. Der Verkaufsleiter stritt mit seinen Mitarbeitern nur noch über die Leistungsbemessungsgrenzen und Ungerechtigkeiten; ja sogar das Wort Nötigung soll gefallen sein. Was war geschehen? Aus meiner Beobachtung haben sich die Mitarbeiter auf die Kalkulation und Manipulation des variablen Einkommensanteils konzentriert, statt sich um den Kunden zu kümmern. Ihre Energie floss nach Innen (zum Gehalt) statt nach Aussen (zum Markt). Die Frage lautete fortan nicht mehr: „Was muss ich tun, um mit meiner Arbeit den grösstmöglichen Nutzen für die Kunden und das eigene Unternehmen zu stiften?“, sondern „Was muss ich tun, um die grösstmögliche Belohnung zu erhalten?“.

Heute, betrachtet aus grösserer Distanz, rate ich allen von solchen (selbst-)regelnden und (selbst-)gerechten Anreizsystemen ab. Der Prozess des Arbeitens, aber mehr noch die Wertigkeit der geleisteten Arbeit werden gleichsam „übersprungen“ mit Blick auf die winkende Belohnung. Das ist meines Erachtens auch ein Grund, warum viele Mitarbeiter dem Satz: „Ich arbeite, um danach zu leben!“ zustimmen. Aus Sicht des Motivierenden muss ich heute ehrlicherweise sagen, all unsere pekuniären Motivationsbestrebungen haben die ganzheitliche unternehmerische Motivation zerstört!

An dieser Stelle nur soviel: Ungleich befriedigender und sicher auch langfristig erfolgreicher ist es doch, mit Menschen zu arbeiten, die auf der Basis klar vereinbarter Rahmenbedingungen tun, was sie tun – ohne auf weitere Anreize zu warten. Für jene die das Ergebnis ihrer Arbeit Bedeutung hat und nicht die möglicherweise darauf folgende Belohnung. Jene, die etwas tun, weil es „ihre Sache“ ist. Besser erscheint mir, und dies zeigen auch meine jüngsten Erfahrungen, eine klare Entscheidung für eine verführungsfreie(re) Unternehmenskultur der Vereinbarung zwischen mündigen Menschen. Denn wenn wir die Herausforderungen der Zukunft bestehen wollen, brauchen wir eigensinnige, vereinbarungsfähige und verantwortungsfühlende Menschen, die gerne mitmachen und über unsere eigene Generation hinaus denken können. Die sich aber auch selbst im Rahmen gemeinsamer Zielabsprachen und Spielregeln selbst fordern, sich mit ihrem Umfeld gemeinsam entwickeln und auch selbst beschränken. Diese Menschen müssen wir in jeder Form ernst nehmen, sonst graben wir ihnen das „Motivations-Wasser“ ab. Wenn uns dies nicht gelingt werden wir uns in Zukunft wohl an Antrittsboni gewöhnen müssen, die ausbezahlt werden, bevor die “Angestelltenstelle“ angetreten ist.

René Kläy

Vorsitzender der Geschäftsleitung

www.zuwebe.ch

Montag, 4. Juli 2011

Unverhoffte Freiheit vom Geld

Die Mittelschicht – und die Schweizerinnen und Schweizer sehen sich ja alle als untere, obere oder mittlere Mittelschicht, ein einig Volk von Mittelschichtlern, niemand hier würde sich als Mitglied der Ober- oder (Gott oder was auch immer behüte!) gar der Unterschicht bezeichnen – lebt zu den heutigen Zeiten materiellen Wohlstandsüberflusses in einer ambivalenten Beziehung zum Geld: Man hat zwar Geld, man kann sich vieles leisten, auch vieles, sehr vieles, das man eigentlich nicht wirklich bräuchte („Aber es ist so günstig!“, „Dieses Modell ist ein bisschen besser als jenes, das ich schon habe“, „Man gönnt sich ja sonst nichts“, und der Nachbar hat auch eines ...). Dennoch kann man sich nicht einfach alles leisten, nicht gedankenlos, nicht alles ist möglich, man hat nicht jene Mengen Geld, die einem unabhängig machen, die einem eine Zukunftsplanung unter dem Aspekt: Wovon lebe ich? ersparen. Geld ermöglicht vieles; Geld bedeutet Freiheit, und zwar Wahlfreiheit (allerdings werden die wählbaren Alternativen noch durch weit mehr eingeschränkt als lediglich durch das uns verfügbare Geld, zum Beispiel durch Gesetze, gesellschaftliche Praktiken und Werte, Verfügbarkeiten der nötigen Ressourcen etc.). Doch scheint uns offenbar, dass erst richtig hohe Summen, Summen, wie wir sie höchstwahrscheinlich nie erreichen werden, uns jene Wahlmöglichkeiten eröffnen würden, die uns glücklich machen könnten. Und obwohl wir mit steigendem Wohlstand immer mehr Dinge kaufen und konsumieren können, werden wir nicht glücklicher, nicht erfüllter. Immer gibt es noch mehr Dinge, noch teurere, noch neuere, noch besser designte und prestigeträchtigere Dinge, die man erwerben könnte, genug Geld vorausgesetzt. Wachstum ist das allgegenwärtige Schlagwort, Wachstum der Wirtschaft, Wachstum des Konsums, Wachstum des Ressourcenverbrauchs und des Abfallberges. Auf der psychologischen Ebene wird aus dem stetigen Wachstum des individuellen Konsums eine endlose Sucht nach mehr, das dann die Leere doch nicht zu füllen vermag – aber wenigstens vertreibt die Jagd nach den noch neueren, noch schnelleren, noch schöneren, noch teureren Dingen die Langeweile und gibt einem einen Grund, die eigene Lebenszeit hauptsächlich mit entfremdeter Arbeit und immer mehr Geldverdienen rumzubringen.
Die Freiheit, die das Geld verspricht, kann eine trügerische sein. Und paradoxerweise – ich spreche hier aus eigener Erfahrung – kann die Situation, nur wenig Geld zur Verfügung zu haben, nur gerade genug, um einen sehr einfach gestalteten Alltag finanziell zu bestreiten, unverhoffterweise eine andere Freiheit eröffnen: die Freiheit vom Konsumzwang. Sich nicht mehr dauernd zu überlegen, soll ich das kaufen oder jenes – oder gar keines? Könnte ich nicht noch ein neues X brauchen? Solche aus unserem materiellen Überfluss dauernd entstehenden Fragen entfallen völlig, weil sowieso kein Geld da ist. Werbung nimmt man gar nicht mehr wahr; Werbung und Angebote, die ganze Marktschreierei geht einem nichts mehr an, denn sie richtet sich jene Leute, die genug Geld haben, um im Konsumzirkus mitzutanzen. Keine unterschiedlichen Angebote mehr gegeneinander abwägen, weil man eh nur das absolut Notwendige erwerben kann. Die jede Saison wechselnde Mode – und es scheint mit fortschreitender Konsumkadenz immer mehr Saisons pro Jahr zu geben – kann einem egal sein, man hat ja noch Kleider, um sich anzuziehen, und in nicht allzu langer Zeit wird der letztjährige letzte Schrei wieder die neuste Mode sein. Knapp bei Kasse zu sein kann als grosse Befreiung erlebt werden, als Erleichterung, als Ausscheiden aus einem sich immer schneller drehenden Konsumkarussell und der dafür notwendigen Jagd nach mehr Geld (denn der Konsum will ja finanziert sein), einem Konsumkarussell, dessen Spiel nie zu enden scheint – bis die Ressourcen dann definitiv allzu knapp werden, aber das überlassen wir ja gerne unseren Nachkommen ...

Katharina Meyer
Der Geist denkt, das Geld lenkt

Dieses Zitat von Oswald Spengler (deutscher Kultur- und Geschichtsphilosoph †1936) deutet in knapper Form die wesentlichen Funktionen von "Geist" und "Geld". Obwohl es eher abstrakte Begriffe sind, haben sie direkte und sofort spürbare Auswirkungen im Alltag. Auch ich erfuhr deren Kraft in meinen Jugendjahren. Wegen des fehlenden Geldes konnte ich selbst kleine Wünsche nicht realisieren, hochfliegende Pläne blieben zwangsläufig unrealisierte Gedankenspiele. Sackgeld war damals unüblich. So konnten auch der bestenfalls einmal jährlich anfallende Göttibatzen oder die selber betriebene Hasenzucht nicht verhindern, dass viele meiner Wunschvorstellungen Träume blieben. War das schlecht? Wohl kaum!
Ich habe diese Grenzen respektiert und gelernt, damit umzugehen. Heute bin ich froh, dass ich mich nicht verschuldete. Denn was sind Schulden anderes, als sich heute zu leisten, was morgen zu bezahlen wäre?
Solche Grenzen waren mir vielmehr Ansporn, den Geist etwas mehr anzustrengen und mit Ideen und Engagement den finanziellen Rahmen auszuweiten.
Das mangelde Geld hat mich insofern positiv beeinflusst, und ich bin dankbar für die so gelernten Tugenden, die leider heute manchenorts abhanden gekommen sind.

Doch was war zuerst, das Geld oder der Geist? Ist die Frage richtig gestellt? Oder vielmehr: Was ist wichtiger - Geist oder Geld?
Ich bin überzeugt, dass Geist eine viel wichtigere Bedeutung hat als Geld. Geist manifestiert sich in Wissen, in Geschmack, in Kunst, Gebäuden, in Ethik aber auch im Charakter und in Verhaltensweisen. Geist zeigt sich auch darin, was wir negativ werten, z.B. Gier, Geiz und Missgunst.
Sein Ursprung liegt also seit Anbeginn im Kern des Menschen und damit viel weiter zurück als das Geld. Erst der erfinderische Mensch schuf das Geld, also hat der Geist das Geld geschaffen.
Eine sinnvolle Erfindung, denn erst mit Geld konnte der Güteraustausch rationell vollzogen werden. Zumindest wäre ohne Geld der Tausch meiner gezüchteten Hasen in die so begehrten Levis-Jeans oder einen Radiorecorder erheblich schwieriger gewesen.
Heute tätigen wir mit Geld millionenfachen Tausch von Waren und Dienstleistungen. Was so banal scheint, ist zum hochkomplexen zentralen Nervensystem unserer Volkswirtschaft geworden. Zu einem ausgeklügelten Zusammenspiel vieler Player, die eng miteinander verflochten sind.
Die Finanzkrise stoppte die Höhenflüge jäh und führt uns vor Augen, wie fragil das System plötzlich werden kann und wie sehr wir davon abhängen.

Geld ist im Grunde eine Vertrauensfrage. Ohne Vertrauen ist Geld bloss wertloses farbiges Papier mit Bildern und Ziffern. Die aktuelle Entwicklung des Euro-Kurses lässt grüssen.


Halten wir uns an Oswald Spengler:
Der Geist denkt, das Geld lenkt, dann werden wir auch diese Herausforderung meistern.

Peter Hegglin, Regierungsrat, Finanzdirektor Kanton Zug