Dienstag, 21. Juni 2011

Anderes Wirtschaften

Mit einem Grundeinkommen kann man auch Nein sagen. Zu
schlechten Arbeitsbedingungen, zu Produkten und einem Umgang
miteinander, den man nicht verantworten will. Mit einem
Grundeinkommen kann man unabhängiger Ja sagen zu dem,
was man wertschätzt. Und loslegen. Ein neues Wirtschaften
würde es ermöglichen, weil es klarstellt, dass Wirtschaft nicht
nur das ist, was man verkaufen kann, sondern dass alle Leistungen
für andere Wirtschaft sind. So ist es ja auch. Doch wird
es nicht so gesehen, weil der Geldschleier sich davor aufbläst.
Finanziert würde ein Grundeinkommen über die Konsumsteuer.
So würde deutlich, dass nicht nur Produzenten, sondern
genauso die Konsumenten Wirtschaftsteilnehmer sind.
Kinder zum Beispiel, alte Menschen. Alle Menschen konsumieren.
Und alle zahlen die Steuern, wenn sie konsumieren.
So ist es heute und tatsächlich. Doch wird es nicht gesehen,
dass alle Steuer in den Preisen ist, weil sich die Mattscheibe
einer Sentimentalität der Leistungsbesteuerung davor hängt.
Das kommt noch aus der Selbstversorgung. Was ich leiste,
bringe ich nach Hause. Das stimmt heute nicht mehr. Was ich
leiste, ist für andere.

Eine Idee?

Das Grundeinkommen ist kein Modell, sondern eine Idee. Sie
stammt nicht mehr aus dem sozialen Anliegen einer Sicherung
für Arme. Sie wird von Liberalen wie von Grünen, Linken
und Konservativen diskutiert. Quer durch alle Gesellschaftsschichten
und Professionen. Dass sie ein Kulturimpuls ist,
merken Sie schon daran, wie Sie selbst darauf reagieren, was
für Gedanken und Empfindungen sie bei Ihnen anstösst, was
Sie an der Idee entrüstet oder anzieht. Und was Ihre Freunde
dazu sagen. Oder Ihre Frau. Oder Freundin?

Bedingungslos ist überfällig

Wie sehen die Biografien heute aus, wirklich? Was steigert die
Produktivität – mit schwindendem menschlichem Arbeitseinsatz?
Was ist, wenn unser Problem ist, mit dem Erfolg nicht
klarzukommen? Wir leben im Überfluss. Das gab es in der Geschichte
noch nie. Aber wir leben im Mangel an sehr vielem,
was durch die Zeit erst als Bedarf auftritt in allem, was lebendig
ist. Was ist Leistung in der Leistungsgesellschaft der
Zukunft? Was ist die Antwort auf den bestehenden Erfolg? Wo
ist das neue Wachstum?

Was ist gemeint mit einem bedingungslosen Grundeinkommen?
Es ist so hoch, dass ein Mensch davon bescheiden leben
kann. Es wird pro Kopf ausgezahlt, unabhängig von Lebens-
stand und Lebensstil, Vermögen, Alter und Gesinnung, unabhängig
davon, ob und wie jemand arbeitet und was. Auch
Kinder bekommen es. Vielleicht zu einem geringeren Betrag?
Ausbezahlt an die Eltern.

Das Grundeinkommen ist ein Einkommen in der Höhe, die
zum Lebensnotwendigsten reicht. So viel Einkommen hat im

Prinzip auch heute jeder. Sonst könnten er oder sie gar nicht
leben. Diese Einkommenshöhe wird bedingungslos gemacht.
Das heisst, sie wird aus den heutigen Bedingungen gelöst und
bedingungslos an jede und jeden ausgezahlt. Die Frage ist nicht
in erster Linie: Woher kommt das Geld? Sondern: Wie wird es
transferiert? Und: Wollen wir das? Das Grundeinkommen bleibt
bei der Person in allen Veränderungen ein Leben lang. Das Erwerbseinkommen
bleibt an eine bestimmte Arbeit gebunden,
an ein bezahltes Können, an die Nachfrage am Markt.

In der Praxis heisst das: Alle Erwerbseinkommen werden
neu verhandelt. Denn jeder bringt nun schon ein Einkommen
zur Arbeit mit. Sein Grundeinkommen. Alle Sozialleistungen,
Subventionen, Stipendien, Ersatzleistungen, IV, Renten
schmelzen um die Höhe des Grundeinkommens. Oder anders
gesagt: Das Grundeinkommen wächst in die bestehenden Einkommen
und ersetzt sie in seiner Höhe. Wer heute Fr. 6000.–
hat, der hat mit dem Grundeinkommen in der Summe das
Gleiche. Nur setzt sich sein Einkommen nun aus zwei Einkommensarten
zusammen. Das Prinzip ist: Das Grundeinkommen
ist nicht mehr Geld, sondern macht die lebensnotwendige
Einkommenshöhe bedingungslos für jeden.

Warum? Was würde ich dann tun? Und die Anderen? Jetzt
sind Sie dran.

Die andere Preisspirale

Schon klar, Männer wollen Zahlen sehen, zum Abschluss und
zum Abschuss kommen, wissen, was drin ist im Sack. Doch
hier ist es wie beim Tantra: Erst mal Energie fliessen lassen,
Erkennen der Wirklichkeit. Bleiben wir noch bei einem kleinen
Detail: Die Finanzierung. Wenn es nicht mehr Geld ist – im
Prinzip – ist es auch keine Frage der Finanzierung, sondern
wie man von einem bedingten Grundstock des Einkommens
heute zu einem bedingungslosen kommt. Das geht so: Alle Salärs in der Privatwirtschaft und beim Staat samt der Transfer-
einkommen im Sozialen sinken um die Höhe des Grundeinkommens.
Das spart Bürokratie. Denn viele Sozialleistungen
kann das Grundeinkommen ganz ersetzen. Das spart in den
Gehältern und Löhnen in der Wirtschaft. Das wird in die
Preise weitergegeben. Die Herstellungskosten sinken. Auf
die gesunkenen Preise in der Herstellung kommt beim End-
verkauf eine Konsumsteuer. So bleibt das Preisniveau wie
vordem – Erstellungspreis runter, Konsumsteuer drauf – und
aus der höheren Konsumsteuer werden die Grundeinkommen
gezahlt. Damit noch nicht genug des Guten. Es werden auch
noch alle Steuern im Bereich der Arbeit gestrichen, alle Steuern
auf Erträgnisse aus der Arbeit. Das lässt die Kosten der
Arbeit nochmal sinken. Denn diese Steuern werden heute in
die Preise eingerechnet. Ohne sie wären die Preise niedriger.
Die Konsumsteuer greift erst zu, wenn der Kunde kauft.

Vorteil? Der Staat beisst mit der Steuer nicht schon in den
noch unreifen Apfel. Nicht der zahlt die Steuer, der etwas ent
wickelt und für andere tut, sondern der, der die Leistungen
anderer für sich verbraucht. Der verbraucht dabei auch die
staatlichen Leistungen, die alle zur Herstellung nötig waren.
Die Verbrauchssteuer ergänzt sich in der Wirkung mit dem bedingungslosen
Grundeinkommen. Sie erhöht gegenüber heute
nicht die Verbraucherpreise, sondern bringt die gesunkenen
Herstellungskosten im Endpreis wieder auf heutiges Niveau.
Im Schnitt.

Denn wo Maschinen arbeiten, wirken sich das Grundeinkommen
und der Wegfall der Einkommenssteuern nicht auf
die Kosten der Arbeit aus. Weil Maschinen kein Einkommen
haben, zahlen sie auch keine Steuern. Maschinen leisten
aber einen grossen Teil der Wertschöpfung. Der wird mit der
Konsumsteuer genauso besteuert, wie der Wertschöpfungsanteil
menschlicher Arbeit. Maschinen sind dann nicht mehr Schwarzarbeiter. Maschinenarbeit wird steuerlich nicht mehr
freigestellt. Menschliche Arbeit wird nicht mehr benachteiligt.
Mehr Arbeit wird möglich aus eigener Bedarfswahrnehmung
in all der Vielfalt, die zum Leben gehört. Nicht nur Arbeit in
Schubladen, aus denen eine kaufkräftige Nachfrage winkt –
die Selbstverantwortung abnimmt.

Verantwortung
Wie viele machen, was sie machen, nur, weil es bezahlt wird?
Machen es, weil die Bezahlung ihnen sozialen Status bringt,
weil der bezahlte Auftrag ihnen sagt: Es ist schon richtig so,
zerbrich dir nicht den Kopf. Wem Gewinn vor Sinn steht, dem
stehen dafür auch im Zeitalter des Grundeinkommens die
Türen offen. Und natürlich ist Gewinn kein Widerspruch zu
Sinn. Sinn wird im Grundeinkommenszeitalter vermutlich so
gar mehr bezahlt als heute, weil mehr gesehen. Mehr als die Hälfte der in der Gesellschaft geleisteten Arbeit ist heute unbezahlte Arbeit. Und noch mal so viele Tätigkeiten werden heute gar nicht als Arbeit gesehen. Grundeinkommen, wie
war noch mal die Frage: Wer arbeitet dann noch?
In den USA gab es vor 50 Jahren eine Studie, in der an einige Haushalte eine Art Grundeinkommen ausgezahlt wurde.
Einige Hausherren reduzierten daraufhin ihre Erwerbsarbeit.
einige konnten sich nun besser hocharbeiten. Nur die Frauen
– die mal wieder – hatten wirklich etwas davon. Alleinerziehende
blieben bei ihren Kindern, statt sich als Kindermädchen
zu verdingen und die eigene Brut allein zu lassen. Und mehr
Frauen liessen sich scheiden. Denn als eigener Haushalt erhielten
auch sie, nicht nur der Mann, ein Grundeinkommen.

Recht auf Arbeit – aber richtig!

Dass man Arbeit beschaffen muss, damit die Leute beschäftigt
sind, ist eine Perversion der Arbeit! Arbeit nur um der
Arbeit willen ist eine Entwertung des Menschen. Die Arbeitsplatzideologie
und der Vollbeschäftigungswahn sind ein Denkfehler.
Es geht dabei doch nur um Einkommen – und Steuern
aus Einkommen. ‹Meine. Arbeit ist, was mir letztlich keiner zuweisen
und auch keiner abnehmen kann. Ein Recht auf Arbeit
kann das Recht sein, das zu tun, was mir und meinem Leben
entspricht, wofür ich da bin und was ich als sinnvoll ansehe.
Nur aus eigener Motivation ergibt sich Erfolg und nachhaltiger
Nutzen für andere. Dies Recht auf Arbeit verbleicht zur
Makulatur ohne ein Recht auch auf Einkommen.

Das Grundeinkommen ist nicht staatliche Fürsorge. Nicht
mehr Staat. Sondern mehr Markt. Endlich zählt Leistung gegenüber
Geldmacht mehr, kann Leistung sich freier bewegen
und auch ihre eigene Zeit haben. Mehr gleiche Augenhöhe,
wirkliche Zusammenarbeit und ein echter Arbeitsmarkt. Ich
muss nicht jeden Job annehmen. Ich kann Lösungen angehen,
Neues in die Welt bringen, ob gut bezahlt oder auch nur mit
meinem Grundeinkommen.

Alle für alle

Und meine Frau, mein Mann, meine Kinder haben auch ein
Grundeinkommen. Meine Freunde auch und sogar die, die
ich gar nicht mag. Die ich gar nicht kenne! Nicht einer zahlt
für die anderen. Nicht die Leistungsträger für die Schwachen.
Sondern alle tragen prozentual in ihren Konsumausgaben die
Steuern und darin die Grundeinkommen für alle. Das Grund-
einkommen ist der ausbezahlte Steuerfreibetrag der Konsumsteuer.
Der bedingungslose Freibetrag für jeden zum Lebensnotwendigen.
Es ist nicht so viel anders als heute, nur viel
klarer, viel beweglicher mit solch einem Freibetrag. Viel interessanter,
was Menschen tun, wenn ihre Existenzbasis frei und
sicher ist. Mehr Dynamik, spannender. Gut für die Starken, die
damit besser aus den Startlöchern kommen und tatkräftiger
werden. Nicht schlecht für die Schwachen, die erst mal zu
sich finden, ihre Traumata aufarbeiten, Musse haben. Vor allem
kann sich zeigen, dass das mit der Stärke und der Schwäche
vielleicht gerade umgekehrt ist.

Enno Schmidt, Initiative Grundeinkommen

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen