Samstag, 20. August 2011

Monetäre Modernisierung

Die 2008 ausgelösten Ereignisse auf den Finanzmärkten und ihre Folgen machen es offenbar: Die Wurzeln solch zyklischer Wirtschaftskrisen liegen nicht nur im individuellen Fehlverhalten, sondern vor allem im Geldsystem selbst. Es erzeugt überschiessend Kredit und fördert damit Spekulationsblasen ebenso wie Inflation und die masslose Überschuldung vieler Beteiligter. Anstelle einer stabilen und gerechten Geldordnung präsentiert sich unser Finanzsystem als chronischer Krisen-herd. Eine der zentralen Ursachen dafür ist die private Geldschöpfung der Banken.

Alle benutzen Geld, aber die Funktionsweise des Geldsystems bleibt weithin so nebulös wie die Begriffe ‘fraktionales Reservesystem’ oder ‘multiple Kreditschöpfung’, mit denen die private Geldschöpfung umschrieben wird. Dies liegt im Interesse der Banken. Sie haben es verstanden, die Geldschöpfung an sich zu ziehen, statt sie den staatlichen Zentralbanken zu überlassen. Diese geben im Wesentlichen nur das Bargeld in Umlauf, das lediglich ca. 15 % der Geldmenge ausmacht. Der Löwenanteil von 85 % zirkuliert inzwischen als bargeldloses Giralgeld und wird von den Banken in Umlauf gesetzt: mit jedem Kredit, der bei Kreditaufnahme von Kunden diesen als Guthaben gutgeschrieben (und von dort aus in Umlauf gebracht) wird. Dadurch wurden die Gross-Banken „too big to fail“.
In den letzten Jahren und Jahrzehnten diente ein Grossteil der Geldschöpfung nur noch blossen Finanzgeschäften. Diese haben für die Realwirtschaft keinen Nutzen, können ihr aber grossen Schaden zufügen. Börsen- und Konjunkturzyklen werden durch die verselbständigte Bankengeldschöpfung verantwortungslos in Extreme getrieben – manisch überschiessend in Hochkonjunktur und Hausse, verstockt und depressiv in den nachfolgenden Überschuldungskrisen. Geraten die Banken dabei selbst in Schieflage, stehen die Guthaben der Kunden auf dem Spiel. Verbürgt sich der Staat für bedrohte Guthaben und Banken, werden deren Verluste auf die Allgemeinheit abgewälzt, während die Profite weiterhin privat angeeignet werden.

Die privaten Banken sind keinen gesamtwirtschaftlichen, geschweige denn gesellschaftlichen Zielen verpflichtet. Ihnen die für die Allgemeinheit höchst folgenreiche Aufgabe der Geldschöpfung zu überlassen, ist nicht vertretbar. Mit einer transparenten öffentlichen Geldschöpfung kann dafür gesorgt werden, dass die private Geldschöpfung der Banken nicht weiterhin Wirtschaft und Staat dirigiert und somit eine stabile und gerechte Geldordnung untergräbt.
Der Weg zu diesen Zielen führt über die Ergänzung des Art. 99 BV1.) um den Ausdruck „Giralgeld“. Denn für diesen allergrössten Teil der nachfragewirksamen Geldmenge fehlt bisher die Verfassungsgrundlage – als ob das Geld noch immer nur aus Münzen und Noten bestünde.
Diese fatale Gesetzeslücke muss geschlossen werden.

Eine Verfassung des Geldes ist nötig, aber keine Verstaatlichung der Banken.
Alles Geld soll ausschliesslich von einer unabhängigen öffentlichen Stelle geschöpft werden.
In der Schweiz fällt diese Rolle der Schweizerischen Nationalbank SNB zu. Diese soll zu einer sowohl von den Begehrlichkeiten der Wirtschaft als auch von jenen des Staates unabhängigen öffentlichen Institution werden: zur Monetative. In Analogie zur Unabhängigkeit der Judikative von der Legislative und Exekutive muss die Nationalbank unabhängig und nur Verfassung und Gesetzen sowie dem aktuellen Wissensstand und dem Gemeinwohl verpflichtet sein. Das Geldwesen wird zu einer öffentlichen Infrastrukturleistung im Sinne eines Service Public. In einer solchen Geldordnung können auch lokale Komplementärwährungen oder kooperative Verrechnungssysteme ihren Platz haben.

Die angestrebte Reform der Geldschöpfung kann auf einfache und reibungslose Weise erfolgen:
Die Girokonten der Kunden werden aus der Bankenbilanz herausgelöst und separat als Vollgeldkonten geführt. Die Guthaben auf den Girokonten bleiben eins zu eins bestehen, werden Vollgeld und somit zu gesetzlichen Zahlungsmitteln gleich Münzen und Banknoten. Ab dann ist nur noch die Nationalbank als Monetative autorisiert Zahlungsmittel zuschöpfen. Dadurch geschieht mit dem unbaren Giralgeld heute das gleiche wie vor hundert Jahren mit den Banknoten. Damals wurden privat ausgegebene Banknoten durch staatliche Zentralbanknoten ersetzt. Heute geht es darum, das schuldenverhaftete, instabile und unsichere Giralgeld der Geschäftsbanken durch Vollgeld zu ersetzen, welches dem Bargeld rechtlich gleichgestellt ist. Dieses Vollgeld wird ausschliesslich von der Nationalbank gemäss Weisung der Monetative geschöpft. Die heutige Geldmenge, welche nur zu ca. 15 % aus gesetzlichen Zahlungsmitteln wie Münzen und Banknoten sowie Kontoguthaben der Banken bei der Nationalbank bestehen, wird so zu 100% zu einem öffentlichen Gut. Die Banken bleiben privat und übernehmen weiterhin Kontoführung, Zahlungsverkehr, Spargelder und Kreditvergabe. Geschäftsbanken können an den Finanzmärkten im gesetzlichen Rahmen weiterhin frei agieren. Sie können lediglich kein Giralgeld mehr schöpfen, sondern müssen mit Vollgeld operieren, das sie selbst am Finanzmarkt erwirtschaften oder von Kunden aufnehmen.
Regierung und Parlament können an die unabhängige Monetative keinerlei Ansprüche stellen. Das jeweils neu geschöpfte Geld wird schulden- und zinslos den öffentlichen und/oder den privaten Haushalten zur Verfügung gestellt, die es durch Ausgaben in Umlauf bringen. In der Schweiz handelte es sich bei den neu geschöpften Beträgen im Durchschnitt der Jahre 1999-2008 (bei starken Schwankungen) um 8.1 Mrd. Franken, d.h. ca. 7 % des öffentlichen Gesamthaushalts. Dieser Geldmengenzuwachs ist ein grosser Betrag, der bisher für gesellschaftliche Aufgaben verloren ging, während die Banken einen satten Zins-Extragewinn aus ihrer Geldschöpfung einstreichen.

Eine solche Reform im Interesse der Allgemeinheit hat fünf bedeutende Vorteile:
Erstens ist das Vollgeld auch ohne Staatsgarantie sicher, weil es ausserhalb der Bankenbilanz geführt wird. Bei Insolvenz der Bank fallen unbare Vollgeld-Guthaben nicht mehr in deren Konkursmasse. Der allgemeine Zahlungsverkehr sowie die Kreditvergabe sind deshalb auch in einer Bankenkrise nicht gefährdet. Politik und Öffentlichkeit sind also nicht mehr erpressbar.
Zweitens sind der Über- und Untersteuerung des Geldangebots durch die Banken Grenzen gesetzt. Für spekulative Exzesse auf Pump geht ihnen der selbst geschöpfte Geldtreibstoff aus. Zusätzliches Geld kann nicht mehr von den Banken als Kreditschuld in Umlauf gebracht werden. Der Geldfluss verstetigt sich. Konjunktur- und Börsenzyklen verlaufen moderater.
Drittens, und im Gegensatz zur heutigen inflationären und verantwortungslosen Giralgeldschöpfung der Banken, hat die Nationalbank die Geldmenge erstmals unter vollständiger Kontrolle. Sie kann Spekulationsblasen und Preisinflation wirkungsvoll vorbeugen, indem sie die Geldmenge wie bisher in Übereinstimmung mit dem realwirtschaftlichen Entwicklungspotenzial steuert.
Viertens kommt die Erhöhung der Geldmenge aus der Geldschöpfung ungeschmälert den öffentlichen und/oder privaten Haushalten zugute und wird nicht länger als ungerechtfertigter Extragewinn den privaten Banken überlassen.
Ein teuerungsneutraler Zuwachs der Geldmenge entspricht dem zu erwartenden Wachstum der Realwirtschaft. So entsprechen nach heutigen Massstäben 1 – 2 % Wirtschaftswachstum in der Schweiz einem Geldmengenzuwachs (Seigniorage) von 2.5 – 5 Mrd. Franken. Damit lassen sich 1.8 –3.6 % der öffentlichen Gesamtausgaben der Schweiz bestreiten und man schafft Spielraum für Steuersenkungen. Der Staat muss für diesen Betrag keine Zinsen zahlen. Als weitere Möglichkeit könnte diese regelmässige Seigniorage auch als „Bürgerdividende“ ausbezahlt werden.
Fünftens ergibt sich die einmalige Chance, die Staatsverschuldung in wenigen Jahren abzubauen – unkompliziert und ohne schmerzliche Einschnitte. Bei der Kreditvergabe der Banken wird heute Geld geschaffen, das wieder verschwindet, wenn der Kredit zurückgezahlt wird. Durch Kredite, die noch vor der Umstellung vergeben, aber erst nach der Umstellung getilgt würden, entstünde Giralgeld, das nicht mehr verschwände, da ja alle Kredite nach der Umstellung in Vollgeld zurückgezahlt werden. Dieses Geld ist ab der Einführung des Vollgeldes ausserhalb der Bankenbilanz und muss daher gestaffelt an die Nationalbank weitergeleitet werden, sonst bekämen die Banken ein ungerechtfertigtes, milliardenschweres Geschenk. Wenn die Nationalbank dieses Geld an den Staatshaushalt weiterreicht, kann er es in Umlauf bringen, indem er Schritt für Schritt innert einiger Jahre die Staatsschulden abbaut. Auch die Kredite der Nationalbank an die Geschäftsbanken werden nach und nach zurückbezahlt und auf dieselbe Weise weitergereicht. Die in Umlauf befindliche kaufkraftrelevante Geldmenge wird somit nicht verringert.
Die vorwiegend von Geschäftsbanken durch Kreditvergabe geschöpfte Geldmenge belief sich in der Schweiz 2008 auf gesamthaft 270 Mrd. Franken. Die schweizerische Staatsschuld von ca. 222 Mrd. Franken wäre also durch diese Sichtguthaben-Substitution vollständig tilgbar.

Monetär weitermachen wie bisher ist inakzeptabel. Immer mehr Regulierung und Bürokratie sind ebenfalls kontraproduktiv. Was wir jetzt brauchen ist der Übergang vom Giralgeld zu Vollgeld und eine endgültige Etablierung der Schweizerischen Nationalbank als unabhängige Monetative.
Bitte unterstützen Sie uns dabei (www.monetative.ch)!

Hansruedi Weber, Ennetbaden (Präsident Verein Monetäre Modernisierung)

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