Freitag, 8. Juli 2011

Ein motivierender Bonus

Vor einigen Jahren wurde ich „motiviert“ für den Bereich Vertrieb mit Aussendienstmitarbeitern ein Bonussystem zu erarbeiten. Ziel: Ankurbelung der stagnierenden Umsatzkurve. Selbstverständlich hatte ich dazu alle nur erdenklichen statistischen Werte zur Verfügung. Ich war, wie mein damaliger Vorgesetzter, der Meinung, dass dies auch funktionieren würde. Nach einem Entwicklungs-Prozess zusammen mit dem Verkaufsleiter und den Aussendienstmitarbeitern (Absichtserklärung, Zielfestlegung, Evaluation, Mitarbeiter-Gespräche, etc.) wurde dieses Bonussystem eingeführt. Wir hatten eine beachtliche Energie in die Erarbeitung und vor allem in die Verhandlungen der Bonuspläne investiert. Bei der Standortüberprüfung nach drei Jahren fiel das Ergebnis absolut ernüchternd aus. Der Verkaufsleiter stritt mit seinen Mitarbeitern nur noch über die Leistungsbemessungsgrenzen und Ungerechtigkeiten; ja sogar das Wort Nötigung soll gefallen sein. Was war geschehen? Aus meiner Beobachtung haben sich die Mitarbeiter auf die Kalkulation und Manipulation des variablen Einkommensanteils konzentriert, statt sich um den Kunden zu kümmern. Ihre Energie floss nach Innen (zum Gehalt) statt nach Aussen (zum Markt). Die Frage lautete fortan nicht mehr: „Was muss ich tun, um mit meiner Arbeit den grösstmöglichen Nutzen für die Kunden und das eigene Unternehmen zu stiften?“, sondern „Was muss ich tun, um die grösstmögliche Belohnung zu erhalten?“.

Heute, betrachtet aus grösserer Distanz, rate ich allen von solchen (selbst-)regelnden und (selbst-)gerechten Anreizsystemen ab. Der Prozess des Arbeitens, aber mehr noch die Wertigkeit der geleisteten Arbeit werden gleichsam „übersprungen“ mit Blick auf die winkende Belohnung. Das ist meines Erachtens auch ein Grund, warum viele Mitarbeiter dem Satz: „Ich arbeite, um danach zu leben!“ zustimmen. Aus Sicht des Motivierenden muss ich heute ehrlicherweise sagen, all unsere pekuniären Motivationsbestrebungen haben die ganzheitliche unternehmerische Motivation zerstört!

An dieser Stelle nur soviel: Ungleich befriedigender und sicher auch langfristig erfolgreicher ist es doch, mit Menschen zu arbeiten, die auf der Basis klar vereinbarter Rahmenbedingungen tun, was sie tun – ohne auf weitere Anreize zu warten. Für jene die das Ergebnis ihrer Arbeit Bedeutung hat und nicht die möglicherweise darauf folgende Belohnung. Jene, die etwas tun, weil es „ihre Sache“ ist. Besser erscheint mir, und dies zeigen auch meine jüngsten Erfahrungen, eine klare Entscheidung für eine verführungsfreie(re) Unternehmenskultur der Vereinbarung zwischen mündigen Menschen. Denn wenn wir die Herausforderungen der Zukunft bestehen wollen, brauchen wir eigensinnige, vereinbarungsfähige und verantwortungsfühlende Menschen, die gerne mitmachen und über unsere eigene Generation hinaus denken können. Die sich aber auch selbst im Rahmen gemeinsamer Zielabsprachen und Spielregeln selbst fordern, sich mit ihrem Umfeld gemeinsam entwickeln und auch selbst beschränken. Diese Menschen müssen wir in jeder Form ernst nehmen, sonst graben wir ihnen das „Motivations-Wasser“ ab. Wenn uns dies nicht gelingt werden wir uns in Zukunft wohl an Antrittsboni gewöhnen müssen, die ausbezahlt werden, bevor die “Angestelltenstelle“ angetreten ist.

René Kläy

Vorsitzender der Geschäftsleitung

www.zuwebe.ch

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