Dienstag, 12. Juli 2011

Niemals vergessen

16. Oktober 2008: Die internationale Finanzkrise trifft mit ganzer
Wucht die Schweiz. Regierung und Nationalbank kündigen an, für die
UBS ein Rettungspaket in Höhe von 68 Milliarden Franken geschnürt zu
haben: Die Eidgenossenschaft stellt der angeschlagenen UBS 6
Milliarden Franken in Form einer Pflichtwandelanleihe zur Verfügung.
Dazu kommen maximal 62 Milliarden von Seiten der Schweizerischen
Nati-onalbank für eine Auffanggesellschaft für faule UBS-Kredite
("Ramschpapiere").

Das UBS-Rettungspaket war ein einmaliger Vorgang in der Geschichte
der Schweiz. Die Regierung verteidigte ihr aussergewöhnliches
Vorgehen mit dem Argument, dass eine Insolvenz der Grossbank UBS die
ganze Volkswirtschaft zum Zusammenbruch bringen könnte. Die grösste
Bank der Schweiz führt unter anderem die Konten von 130'000 kleinen
und mittleren Unternehmen der Schweiz.

Die Schweiz stand unter Schock, auch wenn sich die Entwicklung
bereits seit einiger Zeit abgezeichnet hatte. Denn die UBS war in
den Strudel der US-amerikanischen Suprime-Krise geraten und musste
hohe Verluste mit Abschreibungen in Milliardenhöhe verzeichnen. Dazu
kam, dass die US-Steuerbehörden der UBS vorwarfen, Amerikanern bei
der Steuerhinterziehung geholfen zu haben.

Vorsichtsregeln missachtet

Im Dezember 2008 verabschiedete das Parlament trotz harscher Kritik
das UBS-Rettungspaket. Die Linke wollte die staatliche Hilfe an eine
stärkere Regulierung des Bankensektors knüpfen. Doch der Plan
scheiterte in diesem Moment. Allerdings stiess das spekulative
Treiben der UBS-Kader auch bei Vertretern von bürgerlichen Parteien
auf Kritik. Viele neoliberale Politiker hatten Mühe, eine Bank wie
die UBS mit Steuergeldern zu unterstützen.

Die UBS erwies sich als europäische Bank, die am stärksten von der
Krise an den amerikanischen Finanzmärkten betroffen war. Seit dem
Jahr 2000 hatte die UBS ihre Aktivitäten im Investmentbanking stark
ausgebaut und dabei alle Regeln der Vorsicht und des Masshaltens
über Bord geworfen - genau die Regeln, die eigentlich das Schweizer
Bankenwesen auszeichnen.

Dies hatte einen extremen Vertrauensverlust des Parlaments gegenüber
der Grossbank und ihrer Fähigkeit zur Selbstkontrolle zur Folge.
Die Regierung wurde daher beauftragt, ein Projekt vorzulegen, durch
welches das systemische Risiko verringert werden soll, dass die
Insolvenz einer Grossbank die ganze Volkswirtschaft gefährden kann.
Es gehe nicht an, dass der Staat wegen der Grösse einer Bank
praktisch ge-zwungen sei, diese mit staatlichen Mitteln zu stützen
(Too big to fail).

Verdoppelung des Eigenkapitals

Die Regierung folgte dem Auftrag. Und das nun von dem Parlament zur
Abstimmung vorgelegte Gesetz sieht eine bessere Verteilung der
Risiken vor, höhere Anforderungen in Bezug auf die Liquidität sowie
ein Stärkung der Eigenmittel.

Systemrelevante Grossbanken müssen demnach ihre risikogewichteten
Aktiven mit gesamthaft bis zu 19 Prozent Eigenkapital unterlegen.
Dies entspricht fast dem Doppelten der Richtlinien, die im
internationalen Abkommen Basel III festgeschrieben sind.

Das Gesetz "Too big to fail" ist vom Ständerat (Kantonskammer)
verabschiedet worden - trotz einiger Kritik von bürgerlichen
Politikern, welche die UBS-Position vertraten. Gemäss der Grossbank
schwächen die ihrer Meinung nach übertrieben harten Vorschriften
ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit.

"Die jüngste Krise hat schmerzhaft aufgezeigt, dass unsere
Volkswirtschaft im Falle der Insolvenz einer Grossbank besonders
stark gefährdet ist", hält Pirmin Bischof von der
Christlichdemokratischen Volkspartei (CVP) dagegen fest. Die Aktiven
der beiden Schweizer Grossbanken (UBS, Credit Suisse) erreichten 38
Prozent des Schweizer Bruttoinlandprodukts. In keinem anderen Land
gäbe es so hohe Quoten.

"Man muss sich fragen, ob die Lektion der Finanzkrise wirklich von
allen verstanden wurde", meint FDP-Ständerat Dick Mary. "Diese Krise
ist ja nicht vom Himmel gefallen, sondern war die Folge einer
ruchlosen Kultur, die auf Geldgier und Spekulation fusste. Es
herrschte ein totaler Mangel an Ethik und Verantwortungsbewusstsein."

Angst vor der Volksmeinung

"Das Projekt ,Too big to fail' stellt das Minimum dar, um eine
erneute Krise zu verhindern", hält der sozialdemokratische
Parlamentarier Hans-Jürg Fehr fest. Seit 2008 habe das Parlament
alle Vorstösse der Linken gebodigt, welche eine stärkere Regulierung
der Bankenbranche forderten, darunter auch ein Begrenzung der
Vergütungen und Boni für die Manager.

In dieser Hinsicht ist im Parlament immer noch die so genannte
"Volksinitiative gegen Abzockerei" hängig. Diese verlangt, dass die
Generalversammlung eines Unternehmens die globale Vergütung der
Kader (Direktion und Verwaltungsrat) festlegt.

Die Linke will die "Abzocker-Initiative" möglichst schnell dem Volk
zur Abstimmung vorlegen. Denn sie weiss um den Unmut in der
Bevölkerung gegenüber den exorbitanten Manager-Löhnen und anderen
Entschädigungen.

So hat etwa die UBS weiterhin Millionenboni an die Mitarbeiter
ausgezahlt, auch nachdem sie durch Staatsgelder gerettet wurde. Doch
der bürgerlichen Mehrheit im Parlament gefällt die
Abzocker-Initiative nicht. Sie will Zeit gewinnen und arbeitet seit
Ewigkeiten an einem Gegenvorschlag.

Während der Sommersession hat der Nationalrat entschieden, die Frist
für die Prüfung der Initiative um ein Jahr zu verlängern. Dies hat
sogar bei einigen bürgerlichen Parlamentariern für Empörung gesorgt,
etwa bei CVP-Vertreter Pirmin Bischof: "Es ist unannehmbar, dass die
Beratung über die Volksinitiative drei Jahre in Anspruch nimmt.
Damit zeigt man, dass man Angst vor dem Volksverdikt hat."

Armando Mombelli
(Anmerkung Redaktion Häfte / Moitié: Beim hier publizierten Text
handelt es sich um einen Artikel von Armando Mombelli, swissinfo.ch,
Bundeshaus (Übertragung aus dem Italienischen: Gerhard Lob). Wir
danken Swissinfo herzlich für die ausdrückliche Genehmigung der
Wiedergabe dieses sehr informativen Beitrages.)


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Kommentar:

Zur Begrüssung ein paar Millionen

Red./ Nach dem die UBS vor dem Bankrott mit einem staatlichen
Rettungspaket von 68 Milliarden CHF gerettet werden musste, lautet
nun das neue Leitmotiv der UBS-Werbung: "Wir werden nicht ruhen".
Wie wahr.

Axel A. Weber, bis 30. April 2011 Präsident der Deutschen
Bundesbank, bekommt für seine Einwilligung, 2013 die Nachfolge von
Kaspar Villiger an der Spitze der UBS anzutreten, ein
Begrüssungsgeld. Gemäss Angaben der Frankfurter Rundschau vom 1.
Juli 2011 erhält Weber unter diesem Titel 2'000'000 CHF in bar sowie
200'000 für ein Jahr blockierte UBS-Aktien, die heute 3'000'000 CHF
wert sind. Die UBS empfängt ihren künftigen Präsidenten aus
Deutschland wie man dort damals einen politischen Flüchtling
aufnahm. Ende der 1980er Jahre erhielten Flüchtlinge aus der DDR und
aus Polen bei der Einreise nach Westdeutschland ein Begrüssungsgeld
von 100 D-Mark.

Basissalär + 2 Vergütungen für den Präsidenten

Axel A. Weber erhält zudem Dokumente über die UBS, darunter eine
40-seitige Broschüre mit dem Titel: "Unsere Vergütung 2010". Daraus
darf der designierte UBS-Präsident entnehmen, was ihn in seinem
künftigen Job pekuniär erwartet. Auf Seite 30 liest er unter dem
Namen seines Vorgängers: Basissalär 2'000'000 CHF (für Villiger auf
850'000 CHF reduziert), jährliche Aktienvergütung 500'000 CHF sowie
Sachleistungen 141'308 CHF - was zusammen 2'641'308 CHF ergibt.

Basissalär + 6 Vergütungen für die Konzernleitung

Axel A. Weber interessiert sich aber auch für die Vergütungen der 13
Konzernleitungsmitglieder. Auf Seite 28 entnimmt er einer Tabelle
den Totalbetrag von 91'030'900 CHF. Geteilt durch 13 gibt pro
Mitglied eine durchschnittliche Entlöhnung von 7'002'376.90 CHF.
Dieser Betrag setzt sich gemäss einer Übersicht auf Seite 3
strukturell zusammen aus dem Basissalär, dem unmittelbaren Baranteil
und dem aufgeschobenen Baranteil gemäss Cash Balance Plan, dem
jährlichen Bonus gemäss Senior Executive Equity Ownership Plan und
dem Performance Equity Plan, dem effektiv aufgeschobenen Anteil in
% des jährlichen Bonus, den Sachleistungen sowie den
Arbeitgeberbeiträgen an Vorsorgeeinrichtungen.

Axel A. Weber will jetzt noch wissen, wer überhaupt über alle diese
Vergütungen entscheidet. Einer Grafik auf Seite 6 entnimmt er, dass
sämtliche Bezüge der Bankspitze vom Human Resources and Compensation
Committee vorgeschlagen und genehmigt werden, einem Gremium, das dem
Verwaltungsrat und dessen Präsidenten, also ihm selbst, unterstellt
ist. Das beruhigt ihn ebenso wie der Umstand, dass ein
Begrüssungsgeld wie in seinem Fall in diesem Vergütungsbericht
nirgends vorkommt. Aber es wird ihm wohl unter der Leitlinie
ausgerichtet worden sein, die lautet: "Unsere höchste Priorität
besteht darin, ein Verhalten zu fördern und zu belohnen, das eine
nachhaltige Profitabilität und damit den langfristigen Erfolg
unserer Bank unterstützt". Er kann sie oben auf Seite 2 quasi als
Präambel zum Vergütungsbericht zur Kenntnis nehmen.

Tatsächlich, diese Bank gibt keine Ruhe.


(Quelle:
16. Jahrgang, 12. Juli 2011
Mediendienst Hälfte
Service de média Moitié
Verein für soziale Gerechtigkeit
Association pour la justice sociale
Wabersackerstrasse 21
CH 3097 Liebefeld-Bern
Tel. + 41 (0) 31 972 82 23
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