Freitag, 22. Juli 2011

Wir lernen. Und wir vergessen.

Lernend und vergessend stolpern wir durchs Leben. Immer wieder auf der Pirsch nach Neuem. Beutegierig, profitsüchtig, unersättlich. Das Nochmehr wird zur Gewohnheit und zur Gier. Die Gier potenziert sich – bis sie uns zum Nachdenken zwingt. Ein kurzer Halt und das Spiel beginnt von Neuem. Nietzsche’s „Ewige Wiederkehr“ lässt grüssen.
Dies gilt auch für den Umgang mit Geld. Immer wieder werden wir zum Mammonsdiener. Die Konsequenzen von übermässiger Gier werden ignoriert und vergessen. Die Jagd nach noch mehr Geld ist das augenfälligste Synonym dafür – nebst vielen anderen. Auch das Leben an sich kann zur Gier werden: noch intensiver und abwechslungreicher soll es sein. Ueberall, wo gelebt wird, entsteht oder kann Gier entstehen. Das Innehalten, die Entschleunigung wird missachtet. Bis das Mehr nicht mehr glücklich und zufrieden macht. Wir fangen an zu lernen – bis wir wieder vergessen. Die ewige Wiederkehr wird uns immer begleiten. Weil wir Menschen sind und keine Roboter. Zum Glück, mit allen Konsequenzen. Es sei erlaubt zu fragen: Sind Menschen besser und wertvoller, die dieses ewig wiederkehrende Spiel durchschauen und danach handeln? Wenn’s denn so einfach wäre! Bestimmt lediglich ihr Sein ihr Bewusstsein? (Ich nicht, du auch!) Denn neugierig sind wir alle, ob wir wollen oder nicht.
Der Homo sapiens ist tatsächlich ein neugieriges Wesen. Ein Lebewesen, für das Bestehendes nur der Ausgangspunkt ist auf der Suche nach Unbekanntem und noch nicht Erfahrenem. Das Wissen von heute ist bereits morgen Geschichte, vor allem in diesen Zeiten. Technische Errungenschaften beschleunigen den Alltag – beim Broterwerb und im Zwischenmenschlichen. Beschleunigung nimmt ihren Lauf. Neue Werte werden geschaffen. Noch-schneller wird zur Norm. Bis erstes Dagegenhalten entsteht. Eine trügerische Ruhe kehrt ein. Es wird reflektiert. Neugier bleibt aber. Denn der Mensch bleibt Mensch. Langsamkeit, geschweige denn Stillstand sind in seinem Geldverdienen – System, im Kapitalismus nicht vorgesehen. Entschleunigung müsste uns aufgezwungen werden. Neues Denken und andere Ideologien müssten sie verordnen. Womit Zwang entstehen würde, wenn auch (vielleicht?) mit gutgemeinter Absicht, Gewohntes und Bewährtes zu erhalten.
Derartige Vorhaben finden aber nur wenig Gehör, wenn überhaupt. Mehrheiten berufen sich wieder auf menschliche Neu-Gier. Und wieder ist ein kurzes Intermezzo Vergangenheit. Ewiger Fortschritt wird modisch und setzt sich durch. Auch Respekt und Vernunft waren gestern. In der Wirtschaft, insbesondere dort, wo aus Geld Geld generiert wird, verlieren derartige Ueberlegungen wieder an Bedeutung. Mehr noch: Sie gelten zuweilen als naiv und zukunftsschädigend. Geld-Engineering wird zur Religion. Vabanque – Spiele in der Finanzwirtschaft, zumindest im Profitcenter „Schnelles Geld“, werden verdrängt und ignorieren nachhaltiges Schaffen. („Der Mensch ist nur da Mensch, wo er spielt“: Schiller) Die Konsequenzen von überreiztem Finanzroulette sind bekannt. Trotzdem wird weiter spekuliert. Die Alchemie wird grenzenlos. Die nächste Krise kiepitzt mit spöttischem Grinsen um die Ecke: „Ihr entkommt mir nicht!“ Die Spirale dreht sich weiter abwärts bis zum ganz grossen Knall: leben auf privaten und staatlichen Pump!
Oder wird uns eine kontrollierte Gier vor einer globalen Malaise bewahren? Werden wir diesmal frühzeitig lernen? Oder wird Vergesslichkeit einmal mehr den Lauf der Dinge bestimmen? Nietzsche’s Behauptung spricht dafür. Weil wir neu-GIERIG sind. Weil wir Menschen sind. Um es mit einer Investment – Legende zu sagen: „Wir müssen erkennen, dass unser Verständnis der Realität von Natur aus unvollkommen ist, dass Wahrnehmungen zwangsläufig verzerrt und Institutionen fehlerhaft sind.“ Georg Soros weiss, wovon er spricht. Auch er, der erfolgreiche Finanz – Spekulant, weiss zwar um unsere Lernfähigkeit, aber auch um unsere Vergesslichkeit. Vor allem wenn von Geld die Rede ist. Auch wer mehr als genügend davon hat, ist nicht davor gefeit. Auch Spekulanten sind nur Menschen. Und Geld ist offenbar eine Naturveranlagung im Menschen. Was aber noch lange nicht heissen sollte, dass der Krug zum Brunnen gehen muss, bis er bricht. Es sei denn man setzt weiterhin auf das „schnelle Geld“. Und spielt damit.
Auch uns, ohne Casino – Zutritt, bleibt so oder so nur Spekulieren. Spekulieren auf mehr Vernunft und Respekt! Auch wenn alles anders bleiben dürfte… So weit, so negativ.

Roland Huber, Zug.
Ein ganz gewöhnlicher Mensch. Zuweilen auch gierig. Zum Glück aber nicht nur nach Geld.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen